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Monuments Men

Monuments Men

Titel: Monuments Men
Autoren: Robert M. Edsel
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sagte der erfahrene alte Soldat, »dann wären alle diese Soldaten nicht hier auf der Straße, sondern in ihren Kasernen. Der Krieg wird also nicht heute beginnen.« 7
    Harrys Vater, auch er ein stolzer deutscher Frontkämpfer, pflichtete ihm bei. Die Familie reiste daher nicht an diesem Nachmittag ab, sondern nahm am nächsten Morgen den ersten Zug in die Schweiz. Am 9. Oktober 1938 kamen sie im Hafen von New York an. Genau einen Monat später, am 9. November, nutzte das NS-Regime einen Anschlag auf einen Diplomaten, um mit aller Härte gegen die deutschen Juden vorzugehen. In der sogenannten »Reichskristallnacht« wurden mehr als 7000 jüdische Geschäfte und 200 Synagogen zerstört. Die Juden von Karlsruhe, unter ihnen auch Opa Oppenheimer, wurden zusammengetrieben und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Die großartige, hundert Jahre alte Kronenstraßen-Synagoge, wo Harry Ettlinger noch wenige Wochen zuvor seine Bar-Mizwa gefeiert hatte, wurde niedergebrannt. Harry Ettlinger war der letzte Junge, der in der alten Synagoge von Karlsruhe seine Bar-Mizwa beging.
    Doch in unserem Buch geht es nicht um die Kronenstraßen-Synagoge, das Internierungslager Dachau oder um den Holocaust an den Juden. Es geht um eine andere Art von Vernichtung und Aggression, die Hitler an den Menschen und den Völkern Europas verübte: um seinen Krieg gegen ihre Kultur. Denn als der Schütze Harry Ettlinger schließlich nach Karlsruhe zurückkehrte, suchte er nicht nach verschollenen Verwandten oder den Resten seiner Gemeinde; er wollte herausfinden, was mit einem anderen Teil seines Erbes geschehen war, das die Nazis ihm genommen hatten: der geliebten Kunstsammlung seines Großvaters. Dabei sollte er rund 200 Meter unter der Erde etwas entdecken, von dessen Existenz er schon immer gewusst, das er aber nie mit eigenen Augen zu sehen erwartet hatte: den Rembrandt von Karlsruhe.

2

HITLERS TRAUM
    Florenz
Mai 1938
    Anfang Mai 1938, einige Tage nachdem Harry Ettlingers Eltern ihren Antrag auf Einwanderung in die USA unterschrieben hatten, unternahm Hitler seine erste offizielle Auslandsreise: Sie führte ihn nach Italien zu seinem faschistischen Verbündeten Benito Mussolini.
    Rom, das mit seinen imposanten Ruinen und großen Säulen so mächtig und geschichtsträchtig erschien, wirkte vermutlich etwas einschüchternd auf ihn. Sein Glanz – nicht der gegenwärtige, sondern der Widerschein des antiken Roms – ließ Berlin im Vergleich zur italienischen Hauptstadt eher wie eine Provinzstadt erscheinen. So wie Rom sollte auch die deutsche Hauptstadt dereinst werden. Hitler entwickelte seit Jahren Eroberungspläne und bereitete die Unterwerfung Europas vor, doch Rom entfachte den Wunsch nach dem Reich, dem Imperium. Seit 1936 war er mit Albert Speer, seinem persönlichen Architekten, im Gespräch über seinen Plan, Berlin in großem Stil neu zu errichten. Nach seinem Besuch in Rom verlangte er von Speer, nicht nur für heute, sondern für die Zukunft zu bauen. Er wollte Monumente schaffen, die im Lauf der Jahrhunderte zu attraktiven Ruinen wurden, sodass sie der Menschheit auch noch in tausend Jahren als Symbole seiner Macht erscheinen würden.
    Ähnlich inspirierend wirkte das kleinere Florenz, die italienische Kunsthauptstadt, auf Hitler. Hier, in diesem Gewirr von Bauten, die den Beginn der italienischen Renaissance markierten, schlug das kulturelle Herz Europas. Hakenkreuzfahnen wehten an den Gebäuden, die Menschen jubelten Hitler zu, doch am meisten beeindruckten ihn die Kunstwerke. Er hielt sich fast zwei Stunden in den Uffizien auf und betrachtete staunend die berühmten Kunstwerke. Seine Begleitung mahnte zum Aufbruch. Hinter ihm murmelte Mussolini, der in seinem Leben niemals freiwillig einen Fuß in ein Kunstmuseum setzte 8 , verärgert: »Tutti questi quadri ... Ach, alle diese Bilder ...« 9 Aber Adolf Hitler ließ sich nicht drängen.
    Als junger Mann hatte er davon geträumt, Künstler und Architekt zu werden. Dieser Traum war zerstoben, als sein Aufnahmeantrag an der Wiener Kunstakademie von einem Ausschuss sogenannter Kunstexperten abgelehnt worden war, die er für Juden hielt. Er war ein Jahrzehnt lang herumgezogen, fast mittellos und ohne ein festes Dach über dem Kopf. Schließlich aber hatte sich doch noch seine wahre Bestimmung gezeigt. Er war nicht dazu bestimmt, etwas zu erschaffen, sondern es wiederherzustellen. Etwas einzureißen und es dann wieder neu aufzubauen. Aus Deutschland ein Reich zu machen, das
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