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Montauk: Eine Erzählung (German Edition)

Montauk: Eine Erzählung (German Edition)

Titel: Montauk: Eine Erzählung (German Edition)
Autoren: Max Frisch
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morsch. Wir kommen von Rom, VIA MARGUTTA , aus einer Untermiete; mein Leben lang bin ich Mieter oder Untermieter gewesen. Jetzt möchte ich ein Haus haben mit Dir. Unter Schirmen stapfen wir durch das verwilderte Gelände; ein Dschungel von Brennesseln und Brombeeren, viel Farnkraut; wie üblich in dieser Gegend: Trockenmauern aus grobem Feldgestein stützen die Terrassen. Du gehst ziemlich stumm, ich zeige auf die schönen Nußbäume.Ein großes Gelände. Viele Kastanienbäume gehören dazu. Drinnen im Haus ist es muffig; da und dort Schimmel an den Mauern. Die Zuversicht, daß sich das umbauen und ausbauen läßt, übernehme ich, ebenso die zähen Verhandlungen um den Kaufpreis. Eins ist mir von der ersten Stunde an klar: allein, als Junggeselle, könnte ich in diesem Tal nicht hausen. Ich sehe den Balken, wo ich baumeln würde; es wäre leicht zu veranstalten von einem kleinen Fenster aus. Ich lebe aber mit Dir, schon seit drei Jahren; wir haben noch nie über Ehe gesprochen. Was mir gefällt: das schwere Dach aus Granit, und wie das Ganze in den Hang gestellt ist, das Haus und ein steinerner Stall, der beinahe ein Turm ist. Das würde einem Architekten so bald nicht gelingen, das räumliche Verhältnis der beiden Mauerkörper zueinander; das ist unbedacht und vollkommen. Ich bin begeistert. Trotz Regen. Ich habe nie davon geträumt, ein Haus zu haben; jetzt möchte ich es. Wir werden trotzdem noch reisen; es soll kein Gefängnis werden, nur ein Zuhause, wenn Du dazu bereit bist: Unser Zuhause. Ich bin vorsichtig mit dem Kauf, nicht bloß weil der Kaufpreis höher ist als erwartet, und um Weihnachten, als Du bei der Mutter bist, fahre ich nochmals hin. In diesen Tälern kommt es vor, daß man im Winter überhaupt keine Sonne hat oder nur eine Stunde lang. Ich bleibe einen ganzen Tag allein auf dem Gelände; ein blauer Wintertag ohne Schnee. Gegenüber die hohe Kuppe, aber die Sonne rollt gerade noch über diese Kuppe, und das Haus bekommt Sonne sechseinhalb Stunden lang. Ein Glücksfall. Im Innern kommt mir alles noch verrotteter vor; ich bin froh, daß Du nicht dabei bist. Zuletzt hauste hier ein alter Pächter, ein Irrer. Von dem Sud, den er für die drei Schweine gekocht haben soll im Haus, ist nichts mehr zu riechen. Es stinkt aber eine vermoderte Matratze und allerlei Gerümpel, das man sich wegdenken muß. Ich messe aus. Die Räume sind klein, die Mauern dick, und viel wird man von dem alten Gemäuer nicht herausreißen können; trotzdem scheint es mir möglich, hier eine Wohnlichkeit herstellen zu können. Draußen an einem Tisch aus Granit, wie sie im Tessin üblich sind, mache ich Skizzen. In Rom zeige ich sie Dir, erläutere die beschränkten Möglichkeiten, und Du siehst, ich hätte Lust. Zu oft habe ich die Wohnungen gewechselt. Hier wäre Platz für eine Bibliothek, die wächst; unsere Bibliothek. Hier dein Arbeitszimmer mit Ausgang in den Garten. Hier eine Kammer für Gäste. Ich berate mich mit einem jüngeren Architekten, der in der Gegend wohnt und den Umbau betreuen kann, und ich entschließe mich zum Kauf, 1964. Unser Leben in Rom:festlich von Tag zu Tag und etwas ortlos, auf die Dauer zu gefällig von Tag zu Tag. VALLE ONSERNONE , das liegt nicht am Ende der Welt; zum Beispiel kannst Du in Zürich studieren, wenn Du willst. Hin und wieder besichtigen wir den langwierigen Umbau. Eine Zeitlang sieht es verrückt aus: eine Ruine, die morschen Böden herausgerissen, es stehen nur die schweren Mauern, die das Dach tragen; draußen Haufen von morschem Gebälk. Es muß betoniert werden, damit das Ganze hält. Man stolpert durch ein Dickicht von Versprießungen. Der Umbau, von dem jungen Architekten betreut mit Lust und Sorgfalt, dauert ein volles Jahr. Wir gehen mit ihm, um Platten auszuwählen, Armaturen für Küche und Bäder; Du kannst wählen. Inzwischen kennst Du den Grundriß und schenkst uns Vertrauen, dem jungen Architekten und dem ehemaligen Architekten zusammen. Du siehst meine kindliche Freude am Bauen, meine männliche Freude. Das eine und andere, die Treppe zum Beispiel, bleibt Dir an Ort und Stelle noch unvorstellbar; Du siehst nur das große Loch und stehst ängstlich auf den Brettern, ich halte Dir die Hand. Es gibt jetzt vielerlei zu wählen anhand von Mustern. Alles Technische interessiert Dich weniger: Größe des Öltanks, Marke des Ölbrenners, des Heizkessels usw., aber da vertraust Du, und es freut Dich das blaue Herbstlicht über dem Gelände. Der Architekt will Travertin für
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