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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz
Autoren: Sheri S. Tepper
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mit offenem Mund und heraushängender Zunge.
    Sie versuchte, sich zu bewegen. Es gelang ihr nicht. Sie hatte nicht mehr genug Substanz, um sich zu bewegen. Sie hatte ihre Identität verloren und war ein Teil des Geräts geworden.
    »Sie schlafen«, murmelte der Große Drachen und brachte sie wieder zur Besinnung.
    Nun war nur noch das Arbai-Gerät übrig. Sie dachte an das Gerät, ohne jedoch die Kraft zu haben, es zu steuern. Das, was von ihr übrig war, wollte nur schlafen und vergessen. Sie war nicht mehr in der Lage, diesen Zustand der Spaltung aufrechtzuerhalten. Jemand anders würde das tun müssen, was zu tun war.
    »Komm schon«, wisperte der Große Drachen. »Du bist Fringe Owldark. Du bist Jorys Tochter. Du hast das Wunder geerbt.«
    Sie versuchte, das zu bestätigen und sich damit zu identifizieren. Nach einer langen Zeit war sie immerhin in der Lage, zu nicken und zweifelnd zu sagen, ja, vielleicht war sie das, vielleicht war sie Fringe Owldark.
    »Wieso hast du das getan, Fringe? War es für Jory? Für Zasper?«
    Sie erkannte keinen Sinn in der Frage. »Nein. Nein. Sie sind fort. Ich habe es nicht für sie getan.«
    »Für wen sonst?«
    »Nela«, sagte sie. »Ich glaube, ich habe es für Nela getan. Damit sie noch etwas Zeit hatte, um… zu sein, was sie sein wollte. Wozu das Gerät sie gemacht hat.«
    »Das Gerät ist mir ein Rätsel. Ich spüre es nicht. Wird es denn tun, was getan werden muß?«
    »Wir werden sehen«, murmelte sie, glaubte jedenfalls, sie hätte gemurmelt; sie war zu erschöpft, um es mit Sicherheit zu wissen.
    »Wird die Zeit reichen?«
    »Weiß nicht«, seufzte sie, glaubte, sie hätte geseufzt. »Vielleicht schon zu spät. Wie lang haben wir gebraucht, um hierher zu kommen?«
    »Eine lange Zeit.« Die Zeit, die er meinte, bemaß sich nach Jahrhunderten, Jahrtausenden.
    Die Zeit, die sie meinte, war nicht so lang. »Dämmert es schon?«
    »Ja«, sagte die machtvolle Stimme leise. »Vor einiger Zeit hat es gedämmert.«

 
15
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    Danivon blieb die ganze Nacht über wach: Als die Dunkelheit sich über die Welt legte, kamen die Sterne zum Vorschein, während das letzte Sonnenlicht verschwand und nur noch von den höchsten Wolken reflektiert wurde. Auch als es schon finster war, tastete er sich von einem Baum zum andern, von einer Lichtung zur nächsten. Er kam nicht zur Ruhe. Er wartete auf Fringe. Fringe war dem Großen Drachen gefolgt. Vielleicht hatte Fringe Panubi auch schon verlassen, war im Schutz des mächtigen Drachens unsichtbar durch die Linien der Killer geschlüpft und hatte sich in Sicherheit gebracht.
    Er hoffte, daß er sich irrte.
    Er wußte, daß er sich irrte.
    Er versuchte sich vorzustellen, wo sie vielleicht war, doch es gelang ihm nicht. Sie hatte einen Plan, soviel wußte er zumindest, aber welchen? Diese Frage löste ein stummes hysterisches Lachen aus. Wann hatte er jemals ihre Pläne verstanden? Weshalb sollte er ausgerechnet diesen verstehen? Er gähnte herzhaft, lehnte sich gegen einen Baum und lauschte dem Atem der Menschen um sich herum. Selbst im Halbschlaf, fragte er sich, wie lange er sie noch schlafen lassen sollte.
    Schließlich zog die Dämmerung herauf, mit hohen rosigen Wolken, die von der Ankunft des Tages kündeten. Auf dem Schlachtfeld erwachten die Maschinen. Danivon überhörte ihr Wimmern, legte den Kopf in den Nacken und schaute zu den Wolken hinauf. Er nahm den Anblick in sich auf. Wenn der Tod kam, würde er weder an den Tod denken noch an Fringe oder sonst einen Menschen. Er würde das Bild der Wolken vor Augen haben, deren Farbe von Schwarz über Grau zu einem kräftigen Rosa wechselte.
    Allerdings gelang es ihm nicht, die Gedanken an Fringe zu verdrängen. Sie stand nach wie vor im Mittelpunkt seiner Überlegungen. Wie war sie wirklich? Was hatte sie wirklich gewollt? Er erinnerte sich an sie, an jede Einzelheit, an jede Nuance ihres Gesichtsausdrucks und ihrer Handlungen. Zasper hatte auch von ihr gesprochen. Er erinnerte sich an alles, was Zasper gesagt hatte. Ihre Anwesenheit war wie eine Melodie, die er nicht vergaß, wie eine Litanei, die er immer wieder aufsagte, wie eine Zauberformel, eine Beschwörung.
    Über ihm wurden die Wolken immer heller und lösten sich schließlich auf, außer einer sichelförmigen Form, die auch dann noch bunt schillerte, als die anderen Wolken sich schon weiß verfärbt
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