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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz
Autoren: Sheri S. Tepper
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auf das frei, was sich unten befand: eine riesige Zielscheibe, mit konzentrischen Kreisen um einen dunklen Mittelpunkt. Sie blinzelte und sortierte erst einmal, was sie sah. Das untere Viertel der Kaverne bestand aus abgestuften Kreisen, wie ein Amphitheater. Der Mittelpunkt war flach und leer. Auf den Rängen saßen die Letzten der Arbai. Ein paar hundert vielleicht, die, dem Mittelpunkt zugewandt, in konzentrischen Kreisen dahockten. Das Gesicht hatten sie in den Händen verborgen, als ob sie sich in Trance befänden oder schliefen.
    »Ja«, sagte der Große Drachen. »Das sind sie. Ich kenne sie. Sie sind alt und müde. Sie wollen solange schlafen, bis der Anlaß für die Verwirrung nicht mehr besteht.«
    »Sie müssen noch für eine Weile wachbleiben«, sagte sie. »Sie müssen die Verwirrung eben ertragen. Kannst du für mich dolmetschen?«
    »Sie haben Jory verstanden, also werden sie auch dich verstehen.«
    Sie lehnte sich über das Geländer und atmete tief durch. Sie spürte ein Kratzen im Hals. Die Stimme versagte. Sie hatte einen trockenen Mund. Sie verzog das Gesicht und versuchte, sich einen sicheren Stand zu verschaffen, wobei ihr bewußt wurde, daß sie die Füße gar nicht mehr spürte. Sie kämpfte die aufsteigende Panik nieder und stellte sich vor, sie hätte eine machtvolle Stimme. Eine laute Stimme. Eine Stimme wieDonnerhall.
    »Hallo wach!« schrie sie.
    Die Stimme hallte in der Höhle wider, die Echos liefen durch die ganze Kaverne, wie eine Lawine, und stürzten schließlich auf die unten kauernden Gestalten ein. Sie zuckten zusammen und fuhren hoch. Sie regten sich. Sie stöhnten. Sie legten den Kopf in den Nacken und schauten nach oben.
    »Hier«, rief sie im Befehlston.
    Sie schauten hoch und erkannten sie. Sie nölten herum.
    »Wieso werden sie gestört?« dolmetschte der Große Drachen im Flüsterton.
    »Ihr habt keine Pause verdient!« schrie Fringe. »Ihr habt eine Pflicht zu erfüllen!«
    Sie bewegten sich behäbig, als ob sie eingefroren wären. Quälend langsam sprachen sie wieder.
    »Welche Pflicht?« flüsterte der Große Drachen.
    »Ihr habt die Pflicht, euch eurem Schicksal zu fügen«, rief Fringe. »Was bedeutet, daß ihr all eure Entscheidungen revidieren müßt. Es fällt euch schwer, Entscheidungen zu treffen. Es ist eure Bestimmung, diesen Verdruß zu vermeiden und zu schlafen.«
    Gemurmel drang von unten herauf. Sie sah, wie Körper sich krümmten, hörte, wie Stimmen sich erhoben, als ob sie sich beklagten.
    »Sie haben keine Energie mehr«, flüsterte der Große Drachen. »Sie sind zu keiner Entscheidung mehr fähig. Sie verstehen nicht einmal mehr deine Frage.«
    »Sag ihnen, in ihrer Sprache, daß ich keine Frage stelle. Ich treffe nur eine Feststellung. Sie beeinflussen das Schicksal der Menschheit. Die einzige Möglichkeit, diese Einmischung zu unterbinden, besteht darin, sich jeder Reaktion, selbst der Untätigkeit, zu enthalten.«
    Der Große Drachen sprach.
    Schweigen. Keine Antwort.
    »Wenn sie es nicht freiwillig tun, werde ich es mir von ihnen holen. Sie haben die Wahl.«
    Die Wesen unten schlurften wieder zu den Rängen zurück.
    »Nichts«, sagte der Große Drachen. »Sie sind zu keiner Antwort imstande.«
    Fringe streckte die Hand aus, wobei sie geflissentlich übersah, was da am Handgelenk hing. Es war nicht ihre Hand, nicht einmal eine menschliche Hand. Es war wohl das, was sie nun brauchte, aber es gehörte nicht zu ihr. Vergiß es! Sie stellte sich vor, daß das Anhängsel etwas hielt, das Schlaf herbeiführte. Sie hatte solche Geräte schon benutzt. Nur daß die Schläfer in diesem Fall so tief und lang schlummern würden, daß sie nicht aufwachten und ihr in die Quere kamen.
    Die Fasern drehten sich unwillig. Sie spürte, wie sie sich in ihr verdrillten. Ihr Wille beherrschte sie zwar, doch er konkurrierte mit einem anderen Willen, dem Willen, der das Gerät konstruiert hatte, dem Willen, der nicht in der Lage gewesen war, es einzusetzen. Sie versuchte, sich mit ganzer Willenskraft durchzusetzen. Das, was von diesem anderen Willen noch übrig war, war diffus und indifferent. Er hatte keine Kraft mehr.
    Er schwand dahin. Schließlich war er verschwunden. Fringes Wille brannte wie Feuer. Sie schwankte nicht.
    Das Gerät manifestierte sich am Handgelenk, geschaffen aus ihren Knochen und Sehnen, ein Kondensat ihres Körpers und Geistes. Sie bewegte, was ihre Hand gewesen war, zielte nach unten und bestrich die ganze Arena. Die Arbai kippten zur Seite weg,
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