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Monster (German Edition)

Monster (German Edition)

Titel: Monster (German Edition)
Autoren: Benjamin Maack
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ich, schlüpfe zurück auf meine Seite der Hecke und renne ins Haus. Ich schließe die Verandatür hinter mir ab und lasse rasselnd alle Rollos runter.
     
    Im Fernseher läuft eine japanische Gerichtsserie. Das Wohnzimmer spiegelt sich in den großen Panoramascheiben, eine Geisterkopie des echten Raums mit einem Gespenst darin, das auf dem Sofa liegt wie ich. Diana ist noch nicht zurück. Vielleicht lässt sie sich zur Abwechslung mal bei den Nachbarn durchfüttern. Am Ende der Verhandlung gehen alle wild kreischend aufeinander los. Der Richter schlägt dem Staatsanwalt mit seinem Hammer die Nase blutig, während der Strafverteidiger einen Zeugen mit ein paar Kung-Fu-Hieben dazu bewegt, endlich mit der Wahrheit herauszurücken.
    Du denkst an nichts.
    Der weiche Bauch.
    Du denkst an nichts.
    Die dünnen Schenkel.
    Denk nicht daran.
    Die reinste Meditation.
    Sich spaltendes Fleisch.
    Denk nicht daran.
    Die verschwundene Katze.
    Denknichtdaran.
    Denknichtdaran.
    Denknichtdaran.
     
    Nachts wecken mich Geräusche aus dem Garten. Leises Schnauben, leises Fiepen oder Pfeifen. Eine Art Schaben und Schubbern. Rupfen. Geräusche, die mich aus dem Bett aufstehen lassen. Ich bin verschwitzt. Ich habe eine Gänsehaut. Ich lasse eines der Rollos hochrattern und schaue in den Garten. Ich sehe etwas. Ich verstehe nicht, was. Ein kleiner Schatten auf dem Rasen. An manchen Stellen ähnelt er einer Katze. An anderen überhaupt nicht. Ich öffne die Tür. Das Metall des Griffes ist kühl, meine Fingerspitzen fühlen sich taub an –
     
    – raus in den Garten, raue Pflastersteine unter den Fußsohlen. Meine Brustwarzen stellen sich in der kühlen Nachtluft auf, mein Penis zieht sich in der Unterhose zusammen. Der Schatten hebt sein Köpfchen und sieht mich an. Der Schatten steht langsam auf und macht ein paar Schritte auf mich zu –
     
    – zieht dabei das hinter sich her, was nicht nach Katze aussieht, taumelt und fällt wieder hin. Nicht mal ein Geräusch macht das, so klein ist der Körper. Ich komme näher –
     
    – ich knie mich neben Diana. Und erst jetzt verstehe ich, dass sie verletzt ist. Ihr Schnäuzchen ist voller Blut, ihr Brustkorb hebt und senkt sich schnell, eine rote Blase bildet sich in ihrem Mundwinkel und platzt. Sie versucht aufzustehen, doch es geht nicht –
     
    – erst als ich sie anfasse und aufheben will, verstehe ich. Erst als ich den hektisch atmenden Körper an mich drücken will und sie leise aufwimmert, kapiere ich, was da an ihr hängt. Ein dünnes, langes Ding. Ein Etwas in blutiger Soße. Dass ihre Innereien aus ihr heraushängen. Ein Gewirr kleiner Organe –
     
    – ich nehme die Hände fort, lege meine Wange neben ihrem Kopf ins Gras und zwei Finger auf eine Pfote. Den Zeige- und den Mittelfinger auf die weiche Pfote. Ich höre, wie sich ihr Atem verlangsamt. Es klingt wie das Stöhnen eines besorgten Menschen. Ihr Fell ist warm und feucht –
     
    - dann schließt Diana die Augen und hört auf zu atmen. Von einem Atemzug auf den anderen. Als wäre das ganz normal –
     
    – auf einmal ist es fürchterlich dunkel. Fürchterlich dunkel. Eine Kälte steigt aus dem Boden hoch in meinen Körper, und ich beginne zu zittern –
     
    – meine Zähne beginnen zu klappern –
     
    – meine Zähne rattern wie ein Maschinengewehr. Mein ganzer Körper zittert, als wäre alle Wärme aus ihm entwichen und für immer aus der Welt.
    Minutenlang liege ich so da. Zitternd, zähneklappernd. So lange dauert es, bis mir einfällt, dass so etwas nicht von allein passiert. Dass ein Katzenbauch nicht von alleine aufreißt. Dass es keinen Virus gibt, der die Innereien einer Katze über den Rasen verteilt. Ich höre ein Atmen, sonst nur Insekten. Es ist nicht mein Atem. Es kommt aus der Richtung der Beete. Aus einem Busch. Ich weiß nicht, wie ich aufstehe. Aber plötzlich stehe ich. Plötzlich gehe ich. Stehe auf und wandle. Ich schiebe Zweige zur Seite. Ohne Angst. Ohne etwas zu erwarten. Lassie sitzt da. Er kauert nicht. Er sitzt. Wie auf Befehl. Er hat Platz gemacht. Ein pflichtbewusster Hund. Er schielt mich von unten an mit seinem Hundeblick und Blut an der Schnauze.
    »Komm, Lassie.«
    Der Hund gehorcht. Mit hängendem Kopf folgt er mir über den Rasen. An Diana vorbei. Nur für einen winzigen Moment wird seine Nase von dem toten Körper angezogen, ein kurzes Ausbrechen des Kopfes. Auf die Veranda. Lassie leckt sich über die Nase. Ins Haus. Im Wohnzimmer schnuppert er an der Couch und hinterlässt rote
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