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Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran

Titel: Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran
Autoren: Eric-Emmanuel Schmitt
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Sessel Schutz sucht, und ich tu meinerseits das Gleiche.
    Schweigend schauen wir uns an, die Nase voll mit dem scharfen Gestank von der Farbe. Sie mustert mich eingehend, kein Wimpernschlag von mir entgeht ihr.
    »Sag mir, Momo...«
    »Mohammed.«
    »Sage mir, Mohammed, du wirst doch Moses wiedersehen?«
    »Schon möglich.«
    Ich antwortete ihr in einem völlig gleichgültigen Ton, ich habe nie gedacht, daß ich zu soviel Gleichgültigkeit fähig wäre. Sie schaut mir tief in die Augen. Sie kann schauen soviel sie will, ich bin mir ganz sicher, aus mir kriegt sie nie was raus.
    »Falls du eines Tages Moses wiedersiehst, sag ihm, daß ich sehr jung war, als ich seinen Vater geheiratet habe, daß ich ihn nur geheiratet habe, um von Zuhause wegzukommen. Ich habe den Vater von Moses nie geliebt. Aber Moses hätte ich geliebt. Nur habe ich dann einen anderen Mann kennengelernt. Dein Vater...«
    »Bitte?«
    »Moses' Vater wollte ich sagen, er hat zu mir gesagt: Geh und laß mir Moses, sonst... Ich bin gegangen. Ich habe es vorgezogen, ein neues Leben zu beginnen, ein Leben, in dem es Glück gibt.«
    »Das ist bestimmt auch besser so.«
    Sie senkt die Augen.
    Sie nähert sich mir. Ich spüre, daß sie mir einen Kuß geben will. Ich tu so, als würde ich nicht verstehen.
    Sie bittet mit flehender Stimme:
    »Das wirst du Moses doch sagen?«
    »Schon möglich.«
    Noch am gleichen Abend bin ich runter zu Monsieur Ibrahim und habe ihn fröhlich gefragt:
    »Also, wann werden Sie mich adoptieren, Monsieur Ibrahim?«
    Und er hat ebenso fröhlich geantwortet:
    »Wenn du willst, schon morgen, mein Kleiner!« 
     
    Das war ein ziemlicher Kampf. Die Leute auf den Ämtern, mit ihren Stempeln, mit ihren Formularen, diese Beamten, die wütend werden, wenn man sie aus ihrem Schlaf reißt, hatten was gegen uns. Aber nichts konnte Monsieur Ibrahim entmutigen.
    »Ein Nein haben wir bereits eingesteckt, Momo. Also müssen wir uns jetzt um ein Ja bemühen.«
    Meine Mutter hat, nach Fürsprache der Frau vom Jugendamt, am Ende dem Antrag von Monsieur Ibrahim zugestimmt.
    »Und Ihre Frau, Monsieur Ibrahim, ist sie damit einverstanden?«
    »Meine Frau ist seit langem in die Heimat zurückgekehrt. Ich tue und lasse, was ich will. Aber wenn du Lust hast, können wir sie diesen Sommer besuchen.«
    Am Tag, an dem wir das Papier bekamen, dieses berühmte Papier, in dem stand, daß ich ab sofort der Sohn von dem war, den ich mir ausgesucht hatte, beschloß Monsieur Ibrahim, wir sollten uns, um das zu feiern, ein Auto kaufen.
    »Wir werden Reisen machen, Momo. Und diesen Sommer werden wir zusammen zum Goldenen Halbmond fahren, ich werde dir das Meer zeigen, das einzige Meer, das Meer, wo ich herkomme.«
    »Sollten wir da nicht auf einem fliegenden Teppich hin?«
    »Schau dir lieber die Prospekte an und such dir ein Auto aus.«
    »Ja, Papa.«
    Es ist schon verrückt, wie man bei den gleichen Worten die verschiedensten Gefühle haben kann. Sagte ich zu Monsieur Ibrahim »Papa«, lachte mein Herz, ich blühte auf, mir leuchtete eine Zukunft. Wir gingen zum Autohändler.
    »Ich möchte dieses Modell kaufen. Mein Sohn hat es ausgesucht.«
    Monsieur Ibrahim war noch schlimmer als ich, was die Wortwahl anging. In jedem Satz kam »mein Sohn« vor, als hätte er gerade die Vaterschaft erfunden.
    Der Verkäufer fing an, die Vorzüge des Wagens zu loben.
    »Sie brauchen ihn mir nicht anzupreisen, ich habe doch gesagt, daß ich ihn kaufen will.«
    »Haben Sie einen Führerschein, Monsieur?«
    »Aber sicher.«
    Und Monsieur Ibrahim kramte aus seiner ledernen Brieftasche ein Papier, das höchstwahrscheinlich zur Zeit der alten Ägypter ausgestellt worden war. Der Verkäufer starrte voller Schreck auf den Papyrus, erstens, weil die Buchstaben fast alle vergilbt waren, und zweitens, weil es in einer Sprache geschrieben war, die er nicht kannte.
    »Das ist ein Führerschein?«
    »Das sieht man doch, oder?«
    »Gut. Also, Sie können in Raten zahlen. Über drei Jahre hinweg macht das zum Beispiel monatlich...«
    »Wenn ich sage, daß ich einen Wagen kaufen will, dann kann ich das auch. Ich zahle bar.«
    Monsieur Ibrahim war zutiefst beleidigt. Also wirklich, dieser Verkäufer ließ kein Fettnäpfchen aus.
    »Dann bitte ich Sie um einen Scheck in Höhe von...«
    »Jetzt reicht's! Ich sagte Ihnen doch, ich zahle bar. Mit Geld. Mit richtigem Geld.«
    Und er legte bündelweise Scheine auf den Tisch, dicke Bündel gebrauchter Scheine, die er aus Plastiktüten holte.
    Der
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