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MondSilberLicht

MondSilberLicht

Titel: MondSilberLicht
Autoren: Marah Woolf
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die mich zum einzigen Flugplatz auf Skye verfrachtet hatte. Zwanzig Stunden, in denen ich versucht hatte, mich mit dem Leben, das nun vor mir lag anzufreunden. Wenn ich ehrlich zu mir war, war es mir nicht besonders gut gelungen.
Zögernd lief ich die wacklige Treppe hinunter, blieb stehen und atmete die kalte, klare Luft ein. Dann sah ich zum Himmel. Pechschwarz spannte er sich über mir. Niemals hatte ich einen Himmel mit so vielen Sternen gesehen. Es mussten Millionen sein. Solch ein klarer Himmel war über Washington undenkbar. Fester zog ich meine Jacke um mich und lief weiter.
Nach dem langen Flug fühlte ich mich zerknautscht und gerädert. Unschlüssig blieb ich stehen und sah mich um. Ein großer, schlanker Mann trat aus der Baracke, die am anderen Ende der Rollbahn stand und lief auf mich zu. Er war nur wenig älter, als meine Mutter es gewesen war. Das volle Haar war genauso dunkel wie ihres und ein bisschen gelockt wie meines. Vor Aufregung hielt ich den Atem an.
„Emma?“, fragte er mit warmer klarer Stimme. „Ich bin Ethan, dein … dein Onkel.“
„Hi“, erwiderte ich.
„War der Flug sehr anstrengend?“ Besorgt sah er mich an. Ich nickte stumm.
„Komm, nichts wie nach Hause“, forderte er mich auf und griff nach meinen Taschen.
Plötzlich hörte ich jemanden rufen: „Ethan, Emma, da seid ihr ja.“
Eine schöne, rothaarige Frau kam auf uns zugelaufen. Bevor ich etwas sagen konnte, umarmte sie mich und drückte mich an sich. Automatisch machte ich mich steif. Sie schien es nicht zu bemerken. Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und schob mich auf Armeslänge von sich fort, um mich zu betrachten.
„Du bist Brenda wie aus dem Gesicht geschnitten“, rief sie aus. „Ich bin Bree, deine Tante. Aber es reicht, wenn du mich Bree nennst. Tante klingt furchtbar alt“, plauderte sie drauflos, legte mir einen Arm um die Schulter und zog mich hinter Ethan her.

Ethan und Bree lebten mit ihrer Familie in der Nähe von Portree, der Hauptstadt der Isle of Skye. Es dauerte zum Glück keine halbe Stunde mehr, bis wir dort ankamen. Während der Fahrt tat ich, als ob ich schliefe. Ich hatte keine Lust zu reden. Erst als wir durch Portree fuhren, beschloss ich, dass es Zeit war aufzuwachen und gähnte lauter als nötig. Bree sah sich zu mir um. „Wir sind gleich da.“
Ich stieg aus dem Wagen und musterte im Licht des beginnenden Tages das hübsche Haus. Es war die perfekte Idylle. Vermutlich schlossen sie nachts nicht einmal die Tür ab. Das totale Kontrastprogramm zu meinem bisherigen Leben, dachte ich. Der graue Naturstein der Hauswände war von dicken Rosenranken bedeckt, die bis auf die festen, dicken Dornen noch kahl waren. Schmale Stufen führten zu einer schlichten dunkelgrünen Haustür. Rund um das Haus erstreckte sich der Garten. Ein Wirrwarr von kiesbedeckten Wegen durchzog ihn und man konnte leicht die unzähligen Büsche und Pflanzen erkennen, die im Frühjahr den Garten überwuchern würden.
Das Haus lag außerhalb von Portree. Doch mir war sofort der phänomenale Blick zum Hafen des Städtchens aufgefallen. Portree war der größte Ort der Insel, das hatte ich gegoogelt. Viel mehr hatte das Internet mir nicht verraten. Mir kam er winzig vor. Das konnte ja heiter werden. Hier gab es bestimmt kein Kino, von Theater oder Konzerten ganz zu schweigen.
Rings um das Haus breiteten sich sanft geschwungene Wiesen aus und ich konnte durch den Nebel, der wie ein grauer Schleier auf dem Gras lag, in einiger Entfernung einen Wald erahnen.
Ethan öffnete den Kofferraum und nahm mein Gepäck heraus. Es war nicht viel. Mein ganzes bisheriges Leben passte in zwei Reisetaschen. Traurig eigentlich, dachte ich bei dem Anblick, der schaukelnden braunen Taschen in Ethans Händen. Langsam ging ich hinter ihm und Bree zum Haus. Meinen Rucksack umklammerte ich wie eine Ertrinkende.
Wir betraten das Haus und standen in einem kleinen Flur. Dahinter kam ein größerer Raum zum Vorschein, das Wohnzimmer, wie Bree mir erklärte. Ein Duft von Lavendel und Vanille hing in der Luft. An der Stirnseite war ein großer offener Kamin eingelassen. Ich trat näher, um die Fotos zu betrachten, die auf dem Sims aufgereiht standen. Es waren Fotos von Kindern. Das mussten mein Cousin und meine Cousinen sein.
„Ich schlage vor, du schläfst heute unten im kleinen Zimmer“, sagte Bree leise zu mir. „Du und Amelie sollt euch erst kennen lernen, dann kannst du entscheiden, ob du dein eigenes Zimmer möchtest oder bei Amelie wohnen
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