Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mondscheingeflüster

Titel: Mondscheingeflüster
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
vereinbart morgens um sechs Uhr zum Stalldienst anzutreten, war er manchmal erst um neun Uhr erschienen. Frau Andresen hatte sich wahnsinnig aufgeregt, aber Klaus war sicher gewesen, dass sie ihn im Grunde zu gern hatte, um ihn an die Luft zu setzen. Aber offenbar hatte er sich getäuscht. Die Geschichte mit dem kranken Pferd hatte den Ausschlag gegeben. Lieber Himmel, er hätte nie gedacht, dass diese Frau so wütend werden konnte!
    Was sollte er jetzt tun? Nach Hause fahren? Da setzte er sich nur wieder neuen Vorwürfen aus. Seine Mutter würde ein Riesentheater machen.
    Schließlich schwang er sich auf sein Motorrad und drückte richtig aufs Gas, die schwere Maschine schoss davon. Gleich fühlte er sich freier.
    Er war schon ein ganzes Stück gefahren und wurde gerade langsamer, weil der Feldweg unter ihm sehr schlecht und steinig war, da bot sich seinen Augen ein eigenartiges Bild: Links vom Weg verlief ein Graben, und jenseits dieses Grabens stand ein Pferd. Es war gesattelt und aufgezäumt, jedoch von einem Reiter fehlte jede Spur. Der Zügel des Tieres hatte sich in den Zweigen eines Busches verfangen, es kam nicht mehr vor und nicht mehr zurück und war offenbar dicht davor, in Panik zu geraten. Er hörte schon das typische schrille Wiehern.
    »Das ist ja Abdullah!«, sagte Klaus erstaunt.
    Abdullah tänzelte hin und her, dann versuchte er, sich auf die Hinterbeine zu stellen, was ihm kaum gelang, da der verhakte Zügel seinen Kopf nach unten zwang. Klaus erkannte sofort, dass die Lage gefährlich war: Jeden Moment konnte Abdullah nach hinten in den Graben abrutschen und sich dabei ernsthaft verletzen.
    Der junge Mann stellte sein Motorrad ab und bewegte sich ganz langsam auf das verstörte Tier zu.
    »Keine Angst. Ich bin es. Abdullah, du kennst mich doch. Keine Angst!«
    Abdullah wandte den Kopf und starrte ihn aus schreckgeweiteten Augen an. Seine Nüstern bebten heftig, am Hals war er bereits völlig nass geschwitzt. Er wieherte jetzt wirklich verzweifelt.
    Klaus redete mit gleichmäßig leiser und beruhigender Stimme auf ihn ein.
    »Alles in Ordnung! Keine Angst. Bleib nur ganz ruhig, Abdullah!«
    Er hatte das Pferd schon fast erreicht, musste nur noch den Graben überqueren und bemühte sich, jede hastige Bewegung zu vermeiden. Doch dann rutschte er aus. Sofort stieg Abdullah auf die Hinterbeine und schlug mit den Vorderhufen einen wilden Wirbel. Klaus hielt die Luft an.
    Lieber Gott, lass ihn jetzt nicht stolpern! Wenn er plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen hat, dreht er vollkommen durch!
    Tatsächlich ging alles gut. Abdullah stand wieder still, mit bebenden Flanken und heftig schnaubend. Klaus war inzwischen auf die Füße gekommen und hatte den Hang erklommen.
    Vorsichtig legte er seine Hand auf die Nase des Pferdes. »Alles okay. Ich mache dich jetzt los, und dann gehen wir nach Hause.«
    Abdullah erkannte Stimme und Geruch des jungen Mannes und wurde ruhiger. Klaus wickelte den Zügel von den Ästen des Strauches. Das Pferd wäre nie von allein hier losgekommen.
    »Kein Problem mehr. Wir gehen jetzt nach Hause, und alles ist in Ordnung!«
    Abdullah schnaubte zustimmend und rieb seinen Kopf an Klaus' Arm.
    Klaus überlegte einen Moment; er würde das Motorrad stehen lassen und es später holen müssen, und er konnte nur hoffen, dass niemand vorbeikäme und es mitnähme. Aber das Pferd war jetzt wichtiger. Er musste es riskieren.
    Er schwang sich in den Sattel und ritt am Rande des Grabens entlang. Es war an dieser Stelle nicht günstig, ihn zu überqueren, aber er würde an einen geeigneten Überweg kommen.
    Vielleicht, dachte er hoffnungsvoll, habe ich ja damit wieder ein bisschen was gutgemacht.
 

 
    Es war merkwürdig, was gegen drei Uhr alles so nach und nach auf der Eulenburg eintrudelte: Klaus mit Abdullah und ohne sein Motorrad, Kathrin und Diane zu Fuß, ein Pferd am Zügel hinter sich her führend, die Teilnehmer der Fuchsjagd, alle ziemlich müde und verfroren, und zum Schluss Tom, das bunte Band am Arm. Niemand hatte den Fuchs »erlegt«.
    »Ihr Flaschen!«, schrie Tom schon von Weitem. »Wieso hat mich keiner verfolgt? Ich sitze in den Dünen und friere mir die Füße ab und denke, wann kommt denn endlich einer und versucht, mir dieses Band abzureißen! Aber kein Mensch lässt sich blicken!«
    »Da ist ja Abdullah!«, rief Kathrin gleichzeitig. »Gott sei Dank! Schau nur, Diane, Klaus hat ihn gefunden!«
    »Das waren ja wohl die blödesten Fährten, die ein Mensch legen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher