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Mondscheingeflüster

Titel: Mondscheingeflüster
Autoren: Bastei Lübbe
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wahrscheinlich auch nicht so leben wie du, so angepasst und ehrgeizig und aufwärtsstrebend ... aber ich kann auch nicht mehr so leben wie in den letzten Jahren. Nur so von heute auf morgen, ohne einen Halt, ohne zu wissen, wohin ich gehöre, ohne ein Zuhause. Es ist auch ... es gibt da noch eine Sache, die mich sehr bedrückt ...«
    »Ja?«
    »Du hast mich gefragt, woher wir das Geld hatten, 250 Gramm Heroin zu kaufen. Ich habe etwas getan, was mir sehr leidtut. Ich habe dir doch von dem Haus auf Long Island erzählt, das meiner Familie gehört.«
    »Das in den Hamptons, ja.« Ted dachte an die zauberhafte Gegend, die weiten weißen Sandstrände.
    »Ich bin dort eingebrochen. Vor einigen Wochen, Anfang Dezember. Zusammen mit Greg. Wir haben Schmuck gestohlen, Schmuck von meiner Mutter.«
    »Den bewahrte sie dort auf?«
    »Irgendetwas vergaß sie jedenfalls dort immer. Wir fanden ein Armband mit Smaragden, sie hatte es als junges Mädchen noch von ihren Eltern bekommen. Ein Hehler hat uns viel Geld dafür gegeben. Ich tat es nicht aus Gewinnsucht, Ted, das musst du mir glauben. Ich tat es in erster Linie für Chick. Er brauchte Stoff, er brauchte Geld. Ich war es ihm schuldig ... dachte ich. Aber es war nicht richtig. Meine Mutter hat es nicht verdient, von mir bestohlen zu werden. Ich will das alles in Ordnung bringen, verstehst du?«
    »Ich finde das toll, Lucy.«
    Sie lachte verlegen.
    »Was für eine rührende Szene. Los, jetzt humpeln wir rüber zu dem Telefon, sonst fangen wir noch an zu heulen.«
    »Was soll ich sagen, wo ich bin?«
    »Second Avenue, dicht unterhalb vom Saint.« Lucy wies nach links. »Dort hinten ist es.«
    The Saint. Die populärste Schwulen-Diskothek der Stadt. Ted grinste. »Okay, das werden die finden.«
    Vorsichtig überquerten sie die Straße, ganz behutsam, denn der Schnee war inzwischen festgefahren und entsprechend glatt.
    Dann endlich wählte Ted die Nummer seiner Eltern. Es wurde sofort abgenommen. Ein Polizeibeamter war am anderen Ende. »Hallo?«
    »Ich bin es, Ted. Ich bin frei ...«
    Er gab durch, wo er war, der Beamte versprach, sofort Polizisten dorthin zu schicken. Durch die Glasscheibe konnte er Lucy sehen, die einsam auf der Straße stand, die Hände in die Taschen ihrer Jacke gestemmt. Sie erinnerte ihn an eine ausgesetzte, abgezehrte Katze ... Sie war so allein in diesem Moment. Er trat hinaus zu ihr, biss gleichzeitig die Zähne zusammen, weil der Schmerz wieder durch sein Bein schoss.
    »Lucy!«
    »Hast du jemanden erreicht?«
    »Ja. Sie kommen gleich.«
    »Okay. Dann gehe ich jetzt ...«
    »Willst du nicht warten? Ich dachte, du willst ohnehin zur Polizei?«
    »Ich gehe zum nächsten Revier. Hier zu stehen und mich abholen zu lassen ... versteh das bitte. Ich finde das so würdelos.«
    Ted nickte. »In Ordnung. Aber hier ...« Er kramte seine Brieftasche hervor, entnahm ihr seine Karte. »Meine Telefonnummer. Ruf mich an. Ich will dir helfen, Lucy. Vielleicht kann ich etwas für dich tun. Du sollst das alles nicht alleine durchstehen. Ruf mich an, sobald du kannst!«
    Sie nickte. »Mach ich. Bye, Ted.«
    »Bye, Lucy.«
    Er sah ihr nach, wie sie die Straße entlangging. Ganz sacht fing es wieder an zu schneien.
 

 
    Mike und Kathrin saßen wieder in der kleinen, ungemütlichen Cafeteria im Central Park. Sie tranken jeder einen Kaffee und zerbröselten ein Stück trockenen Kuchen zwischen ihren Fingern.
    »Du müsstest jetzt eigentlich ins Hotel zurück«, sagte Mike. »Wenn dein Flugzeug in vier Stunden geht, wird es Zeit.«
    »Ich komme schon noch rechtzeitig. Im Moment würde ich sowieso nur meiner Mutter beim Kofferpacken im Weg stehen. Seit Ted wieder frei ist und sie keine Angst mehr haben muss, redet sie wieder ohne Unterbrechung und flattert wie ein Huhn hin und her.«
    »So ist sie nun mal.«
    »Ja ... Mike, willst du wirklich fortgehen?«
    »Auf jeden Fall. Ich weiß nur noch nicht genau, wohin.«
    »Aber was willst du dann machen? Wovon willst du leben?«
    »Da findet sich schon etwas. Vielleicht gehe ich nach Kentucky, weißt du, wo sie Rennpferde züchten. Ich könnte mich auf so einer Ranch anstellen lassen. Der Job würde mir gefallen.«
    »Aber überleg es dir doch noch mal. Du verlierst ja auch deine Pension, wenn du jetzt deinen Dienst quittierst. Was wirst du machen, wenn du alt bist?«
    Mike lachte. »Dass du das sagst! So ein junges Küken! Nicht einmal ich mache mir Gedanken über das Alter, dabei bin ich wirklich näher dran als du!«
    Kathrin
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