Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mondscheingeflüster

Titel: Mondscheingeflüster
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
schaute in sein lachendes Gesicht und sah die Traurigkeit darin. Auf einmal fühlte sie sich sehr müde und erschöpft. Warum hatte das mit Peggy passieren müssen? Die Geschichte mit den Gangstern hatte einen glücklichen Ausgang genommen, und sie könnten alle zufrieden sein, aber da saß dieser einsame Mann, und Kathrin wusste, dass sie immer darüber nachdenken würde, was aus ihm wohl geworden sein könnte.
    »Hier«, sagte sie und zog einen Zettel aus ihrer Handtasche. »Ich habe dir meine Adresse in Deutschland und meine Telefonnummer aufgeschrieben. Kannst du mir ab und zu mal eine Karte schreiben? Damit ich weiß, wo du steckst und ob es dir gut geht?«
    »Mach ich«, sagte Mike. Er verstaute den Zettel sorgfältig in seiner Brieftasche.
    »Es war wirklich schön, dass wir uns kennengelernt haben, Kathrin. Du bist ein nettes Mädchen. Ich hoffe nur, du bist klüger geworden und rennst in Zukunft nicht mehr nachts durch dunkle Parks.«
    »Nie wieder. Mir hat dieses Abenteuer gereicht. Ich brauche so etwas nicht noch mal.«
    »Beruhigend zu wissen. Dann hast du doch etwas dazugelernt.«
    Wie oberflächlich wir hier plaudern, dachte Kathrin. So, als wären wir einfach zwei Bekannte, die zusammen einen Kaffee trinken und sich eigentlich nichts zu sagen haben. Und das nur, weil wir über das, was uns bedrückt, nicht reden wollen. Er kann nicht über Peggy sprechen. Und ich nicht darüber, dass ich auf einmal gar nicht mehr unbedingt nach Deutschland zurückwill. Die ganze Zeit habe ich gedacht: Wie schrecklich, hoffentlich kommen nur bald meine Eltern und holen mich ab. Jetzt erst ist mir klar, dass ich etwas Wunderbares erlebt habe. Ich habe zwar viel Mist gemacht, aber ich habe mir auch zum ersten Mal in meinem Leben einen Freund gemacht: Mike.
    »Mike«, sagte sie schnell, »weißt du, früher, als ich noch klein war, musste immer meine Mutter die anderen Kinder ins Haus locken, damit ich jemanden hatte, der mit mir spielte. Es kamen ohnehin nur sehr wenige ... aber auch die nur durch Mutters Vermittlung. Eigentlich habe ich es nie geschafft, selber Freunde zu finden. Bis vor Kurzem nicht. Und jetzt denke ich, dass wir beide irgendwie Freunde geworden sind, und ich ... nun, was ich sagen will, ist einfach: Es war wichtig für mich, dich zu treffen.« Sie lachte verlegen und daher etwas zu laut. »Du musst mich für völlig bescheuert halten. Wahrscheinlich kommt dir mein Gerede als der größte Quatsch vor. Mike, ich würde mich freuen, wenn wir in Kontakt blieben. Es war nicht nur so ein Getue, dass ich dir meine Adresse gegeben habe. Ich hoffe wirklich, dass du mir schreibst.«
    Sicher denkt er, ich spinne, das interessiert ihn doch überhaupt nicht, dachte sie. Doch dann blickte sie hoch und erkannte im selben Moment in seinen Augen, dass er sie verstanden hatte. Er hatte sie hundertprozentig verstanden. Über den Tisch hinweg nahm er ihre Hand.
    »Klar schreibe ich dir, Kathrin. Und das ist jetzt auch kein Getue. Du kannst dich darauf verlassen. Schließlich sind wir tatsächlich Freunde. Und Freunde verlieren sich nicht einfach aus den Augen, nur weil ein Ozean sie trennt.«
    »Okay«, sagte Kathrin völlig verwirrt. Sie stand auf. »Ich muss mich jetzt wirklich beeilen, fürchte ich. Mach's gut, Mike!«
    Er nickte, blieb aber noch vor seinem Kaffee sitzen, denn er hatte keine Eile. Kathrin drehte sich in der Tür noch einmal um und winkte ihm zu.
 
    Ted und seine Eltern waren zum Flughafen gekommen, um die Familie Roland zu verabschieden. Ted hinkte und wirkte noch immer ziemlich erschöpft. Seine Mutter sah zwar noch mitgenommen aus, strahlte aber über das ganze Gesicht. Bob tat völlig gelassen, aber auch ihm war die Erleichterung über den glücklichen Ausgang der Geschichte anzusehen.
    »Jetzt können wir doch noch ein richtig schönes Silvester feiern«, sagte er. »Wir werden eine rauschende Party geben, zu der Teds Freunde kommen. Wie ist es, können wir euch nicht doch überreden zu bleiben?«
    »Vielen Dank«, sagte Kathrins Mutter, »aber von New York habe ich erst mal die Nase voll, das werdet ihr verstehen. Nein, ich will zurück nach Deutschland. Da passieren nicht solche schrecklichen Sachen!«
    »Die können da ganz genauso passieren«, sagte ihr Mann.
    »Ist uns so etwas schon jemals passiert? Nein! Ich finde, dass ...«
    Ted und Kathrin standen ein wenig abseits. Kathrin wies auf Teds rechtes Bein.
    »Tut es noch sehr weh?«
    »Geht schon. Nicht so schlimm.«
    »Ich habe dir da ganz
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher