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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen
Autoren: Boje Verlag
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zwei Länder, zur Beherrscherin der Reiche unserer Kinder und zu meiner Verbündeten bei der Wahrnehmung der römischen Interessen im Osten. Ich habe eine Vision der Zukunft – eine Vision der Zusammengehörigkeit anstelle von Zerstörung. Gestützt durch die Treue unserer Vasallenkönige und -königinnen, ist Rom durch nichts und niemanden aufzuhalten!«
    Er machte eine weit ausholende Bewegung in Richtung des Leuchtturmes. »Und genau wie Pharos in die Nacht hinaus scheint, ist Ägypten wie ein Lichtstrahl in die Zukunft Roms. Eine Zukunft der Gemeinsamkeit. Eine Zukunft von unermesslichem Reichtum. Eine Zukunft, die kein Mensch und kein König zerstören kann!«
    Die Freudenrufe steigerten sich zu ohrenbetäubender Lautstärke. Tata strahlte und streckte jubelnd beide Arme in die Luft. Er bedeutete Mutter, sich neben ihn zu stellen. Das helle Licht Ägyptens schien sich irgendwie auf diese beiden zu bündeln – nie waren sie mir gottgleicher erschienen.
    Während die Priesterinnen und Priester die Schlussgebete anstimmten, wäre ich am liebsten lachend und jubelnd aufgesprungen. Es war der stolzeste Augenblick, den meine Familie bisher erlebt hatte! Ich sog alles in mich auf – den Jubel der Massen, die weiß gewandeten Priester der Serapis, die über Schalen mit brennendem Räucherwerk ihre Gebete sprachen, die langhaarigen Priesterinnen der Isis, die ihre dünnen Arme gen Himmel hoben, den süßen Duft der Blumen, während unzählige Blütenblätter um uns durch die Luft schwebten wie winzige parfümierte Vögel. Es war alles so schön, fast wie ein Zauber. Der Triumph der Ptolemäer! Der größte Augenblick unseres Lebens.
    Aber die Götter sollten uns dieses Glück nicht lange gönnen. Und so begann der langsame, qualvolle Niedergang meiner Familie.
~  Kapitel 2  ~
    Beim Festbankett an jenem Abend teilte ich eine Liege mit meinem Zwillingsbruder Alexandros, seiner Verlobten Iotape und meinem kleinen Bruder Ptoli. Wir saßen auf der linken Seite der Liege von Mutter und Tata, eine hohe Ehre, die unseren neuen Titeln Anerkennung zollte. Die Liege meiner Eltern stand natürlich ganz in der Mitte, dem ehrenvollsten Platz des Festmahls.
    Wir feierten unter freiem Sternenhimmel auf dem offenen Hof unseres großen Palastes gemeinsam mit der reichsten und vornehmsten Gesellschaft von Alexandria. Seidene Liegesofas schienen jeden Winkel des Hofes zu füllen. Die Luft vibrierte vom Klang des Jubels, von Lachen und weinseligen Trinksprüchen. Zur Musik herumschlendernder Flöten- und Leierspieler tanzten spärlich bekleidete Jünglinge und Mädchen, die durch das labyrinthartige Gewirr von Liegen und niedrigen Tischen hindurchwirbelten und -stolperten. Diener trugen immer weitere Tabletts mit duftendem Braten, gedämpftem Fisch und reifem Käse auf.
    Mein Bauch war so voll, die Nacht so warm – ich hatte Mühe, die Augen offen zu halten, und setzte mich von Zeit zu Zeit auf, um wach zu bleiben. Aber ich konnte mich nicht ganz hinsetzen, da Ptoli vom Schlaf übermannt worden war, obwohl er mit aller Kraft dagegen angekämpft hatte. Sein Kopf lehnte an meiner Schulter.
    Nafre, Ptolis Amme, beugte sich über ihn, um ihn hochzuheben. »Komm, komm, kleiner Stier«, flüsterte sie ihm zu, aber Ptoli klammerte sich an meinem Arm fest. Nafre lächelte mir entschuldigend zu.
    »Ptoli, du musst jetzt mit Nafre gehen«, sagte ich und legte meinen Mund an seine gerötete Wange, sodass er mich hören konnte. Sein lockiges Haar war schweißnass.
    »Will bleiben!«, jammerte er und schaffte es kaum, die Augen zu öffnen. »Bei Kle-Kle bleiben.« Ich setzte mich auf, um seine Arme von mir zu lösen, dabei bemerkte ich ein silbernes Armband an seinem kleinen, speckigen Handgelenk. Eine matte Perle saß inmitten eines fein ziselierten Horusauges. Nafre nahm Ptoli aus meinen Armen und ich wandte mich zu Alexandros um.
    »Zeig mir dein Handgelenk«, befahl ich. Er streckte den Arm aus, während er mit den Augen den Tänzern folgte, die in der Nähe unserer Liege umhertaumelten. »Nein, das andere.«
    Er drehte sich zu mir und ich musterte verwundert seinen Arm. Auch er trug einen Armreif mit einem großen und schweren Horusauge in der Mitte. Der matte Glanz der Perle im Zentrum des Auges verlieh ihm ein beunruhigendes und bedrohliches Aussehen. »Woher hast du das?«, fragte ich nahe an seinem Ohr.
    »Von Mutter!« Alexandros schrie fast, damit ich ihn hören konnte. »Sie hat es mir kurz vor dem Festbankett gegeben.« Er wandte
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