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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen
Autoren: Boje Verlag
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– mit goldglänzender Rüstung, das Gesicht schweißnass, aber freudestrahlend – sah er aus wie ein Gott. Der Gott des Krieges!
    In seiner tiefen Bassstimme hob Vater an: »Ich stehe vor euch als Herrscher über die größte aller Zivilisationen, deren Größe noch verstärkt wird durch die Treue und Gefolgschaft ihrer Verbündeten. Heute erinnern wir die Welt daran, dass es weit, weit klüger ist, Rom zum Freund zu haben und nicht zum Feind.«
    Das Volk jubelte seine Zustimmung.
    »König Artavasdes von Armenien war so töricht, die Stärke Roms infrage zu stellen«, fuhr er fort, während die Menge angesichts der Dummheit des Königs aufstöhnte. »Aus Habgier und Machtstreben hat er versucht, sich mit Feinden Roms und Ägyptens zu verbünden. Er hat geglaubt, er könnte unsere Waffen nehmen und uns schwächen. Aber das konnte er nicht, denn Rom und Ägypten sind von den Göttern gesegnet. Unser Sieg ist der Beweis für die Gunst der Unsterblichen, in der wir stehen …«
    Nach einer Weile vermochte ich Tatas Rede nicht mehr zu folgen und fing stattdessen an, die goldenen Perlen auf dem Halsschmuck des Fächer-Sklaven zu zählen. Ich war bereits bei siebenundvierzig angekommen (nachdem ich mehrfach von vorne hatte anfangen müssen), als Vaters Stimme meine Träumereien unterbrach.
    »Es ist Zeit«, verkündete er, »meine Kriegsgüter zu verteilen, um Ägypten für seine unerschütterliche Treue zu belohnen.«
    Die Menge trampelte und johlte und ich horchte auf. Tata wollte nun seine Gaben an uns, seine Familie, verteilen. An mich ! Mir schwirrte der Kopf vor Möglichkeiten. Würde ich eine neue Krone aus seinem Beuteschatz erhalten? Eine goldene Kutsche? Oder vielleicht ein exotisches Tier, vielleicht sogar eines, das Feuer speien konnte?
    Tata wandte sich an meinen zweijährigen Bruder Ptolemaios Philadelphos, der neben mir saß. Ptoli sah genau so aus wie unser Tata, mit seinem Kopf voller glänzender dunkler Locken, den verschmitzten braunen Augen und dem gedrungenen Körper eines Stieres. Die Menge war hingerissen gewesen bei seinem Anblick, wie er in seiner winzigen Militäruniform und Stiefeln dahergetippelt kam.
    »Meinem jüngsten Sohn, Ptolemaios XVI. Philadelphos«, rief Vater mit lauter Stimme, während die Menge erwartungsvoll schwieg, »übertrage ich die Länder Phönizien, Syrien und Kilikien.«
    Die Leute brüllten, und vor Staunen musste ich tief Luft holen. Vater schenkte uns ganze Königreiche ? Ich vergaß, meinen Kopf weiter gerade zu halten und wandte mich zu Ptoli. Er machte ein grimmiges Gesicht und strampelte mit seinen strammen Beinchen auf seinem Kleinkinderthron, während um uns herum der Lärm aufbrandete. Besorgt, dass er zu weinen anfangen oder einen Wutanfall bekommen könnte, nahm ich seine kleine Hand in meine und beugte mich an sein Ohr.
    »Schau zu Tata«, wies ich ihn an. »Er redet mit dir!«
    Ptoli suchte den Blick unseres Vaters. Als Tata ihn anlächelte, lächelte Ptoli zurück und zeigte dabei seine kleinen Milchzähne. Dann wackelte er zum großen Vergnügen der Menge zu Tata hinüber. Einer der Wachen fing ihn ab und führte den kleinen Feldherrn von der Tribüne hinunter.
    »Meiner Tochter, Prinzessin Kleopatra VIII. Selene«, rief Vater nun, und ich spürte, wie sich die Aufmerksamkeit von Tausenden auf mich richtete wie eine physische Macht, eine Energie, die mich dazu brachte, mich gerade hinzusetzen und das Kinn zu heben, trotz meines wild klopfenden Herzens, »übertrage ich die Kyrenaika und Kreta, wo sie als Königin regieren wird. Möge sie mit derselben Weisheit regieren wie ihre Namensgeberin.«
    Ich war Königin! Königin der Kyrenaika und von Kreta! Während die Menschenmenge tosenden Beifall spendete, erhaschte Tata meinen Blick und zwinkerte mir zu. Wieder vergaß ich das Protokoll, lächelte und neigte den Kopf. Das riss die Menge zu weiteren Begeisterungsstürmen hin, und ich hörte, wie mein Name immer und immer wieder gerufen wurde. Ich staunte über die Macht, die um uns herum pulsierte – Macht, die uns zu Füßen lag und die wir nur zu ergreifen brauchten.
    Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte meinen Tata umarmt, alles wäre mir lieber gewesen, als still sitzen zu bleiben wie ein Block aus Marmor. Aber natürlich würde ich Mutter nicht enttäuschen. Ich hielt den Atem an und tat so feierlich und ungerührt wie die Riesenstatuen unserer großen Vorfahren.
    Tata wandte seine Aufmerksamkeit meinem Zwillingsbruder Alexandros
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