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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen
Autoren: Boje Verlag
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sich wieder den Tänzern zu, während Iotape auf seiner anderen Seite ihn schüchtern anlächelte.
    Ich blickte zur Liege meiner Eltern hinüber. Mutter lag auf der linken Seite und hielt einen goldenen Kelch in der rechten Hand. Sie nippte daran und ließ dabei die Augen über die Versammlung schweifen. Ich konnte kein Horusauge an ihr entdecken, sondern nur ihren Lieblingsarmreif, eine goldene Schlange mit Smaragdaugen, die sich ihren Oberarm hinaufschlängelte. Vater nippte nicht, sondern trank in tiefen Zügen und gab immer wieder Zeichen, man solle seinen Weinbecher auffüllen, sobald er ihn geleert hatte. Ich schaute auf sein Handgelenk und sah dort keinen Armreif, aber an seinen Fingern blitzte ein Ring mit einem auffällig großen Horusauge.
    Warum hatten Tata und meine Brüder diese Geschenke von Mutter bekommen und ich nicht? Wie ungerecht! Ich stand auf, um sie zur Rede zu stellen, aber noch bevor ich zu meinen Eltern hinübergehen konnte, legte sich eine kräftige Hand auf meine linke Schulter.
    »Was tust du, Mondmädchen?«, fragte Katep, mein königlicher Eunuch. »Der Ausdruck auf deinem Gesicht gefällt mir nicht.«
    Er beugte sich zu mir herab, damit er mich verstehen konnte, und ich atmete den herb-süßen Duft von Sandelholz und Zimt ein, der stets aus seinen seidenen Gewändern aufstieg.
    »Ich will wissen, warum ich nicht so ein besonderes Horusauge bekommen habe!«, sagte ich. »Alle haben eines, nur ich nicht!«
    Katep runzelte die Stirn. » Das wolltest du die Königin fragen? Jetzt? Du kannst sie doch nicht inmitten der Feierlichkeiten stören!«
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und blickte über seine runden Schultern zu Mutter hinüber, die gerade in ein Gespräch mit dem Oberhaupt einer der vornehmsten Familien von Alexandria vertieft war.
    »Kleopatra Selene, du musst jetzt mit mir kommen«, sagte Katep und nahm mich bei den Schultern, um mich von der Liege meiner Eltern wegzuführen. »Du weißt genau, was die Königin davon hält, wenn ihre Kinder die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.«
    Ich hatte mich ihm widersetzen wollen, aber bei diesen Worten hielt ich inne. Ja, Mutter nahm unser Verhalten in der Öffentlichkeit immer sehr ernst. In genau diesem Augenblick wandte sich meine Mutter zu mir um, fast als hätte sie meine Aufregung gespürt. Sie musterte mein Gesicht, und einen befremdlichen Moment lang erschienen mir ihre Augen so blass wie das stumpfe Horusauge der Schmuckstücke, die sie meinen Brüdern geschenkt hatte. War das eine Warnung? Ein Omen? Ich ließ mich von Katep nach draußen geleiten.
    Erst viel später, mitten in stockdunkler Nacht, nachdem der Lärm des Festes verklungen war, setzte ich mich auf, weil ich unbedingt herausfinden wollte, warum man mir so ein machtvolles Schmuckstück verweigert hatte. Ich horchte auf Zosimas schweren Atem, dann ließ ich mich von meinem seidenen Bett auf den kühlen Marmor gleiten und schlich vorsichtig hinaus in den Flur. Ich erwartete, dass Katep sich von seiner Bank auf der anderen Seite des Ganges erheben würde, aber sie war leer. Gut. Er hätte nur versucht, mich aufzuhalten.
    »Ah!«, sagte eine Stimme. »Man hatte mich schon gewarnt, dass ich damit rechnen müsste.« Ein junger römischer Soldat tauchte aus der Dunkelheit auf.
    »Womit rechnen?«, fragte ich in meinem förmlichen Latein. Ich war stolz auf meine Fortschritte in der Sprache, weil ich wusste, dass es Tata Freude bereitete.
    »Mit einer herumwandernden Prinzessin. Warte!« Der Wachsoldat eilte vor mich, als ich weiter den Flur entlangging. Sein Gürtel mit dem Schwert schlug gegen seine Oberschenkel und die Lederriemen seines Brustpanzers knarrten. »Wohin willst du?«
    »Zu meiner Mutter, der Königin. Aber du darfst ihre Gemächer nicht betreten, weil du nicht über die besondere Befugnis dazu verfügst.« Ich wusste zwar nicht, ob das stimmte, aber ich behauptete es erst einmal. Selbst in meinem jungen Alter hatte ich bereits gelernt, dass alles, was mit uneingeschränkter Autorität ausgesprochen wurde, fast immer in sofortigem Gehorsam mündete. Und natürlich strotzte ich nur so vor Selbstbewusstsein, war ich doch gerade erst zur Königin der Kyrenaika und von Kreta ernannt worden.
    »Dann werde ich dich eben den Wachen der Königin überlassen«, grummelte der Wachsoldat. »Ich bin schließlich kein Kindermädchen für verwöhnte ägyptische Töchter.«
    Der römische Wachsoldat im Trakt meiner Mutter – wo waren nur ihre königlich mazedonischen
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