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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos)
Autoren: Michael Schuck
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Blut in hohem Bogen.
    Yason hatte sich in die Vorhangseile gekrallt. Welch ein grandioses Opfer! Bewegung durchfuhr den Zuschauerraum, wie ein plötzlicher eiskalter Novemberwindstoß das Schilf. Natürlich wurde hier nicht geklatscht. Und doch zuckten viele Hände nach oben. Männerhände, vermutete Yason zynisch. Denn Maria war zwar Opfer. Aber sie war auch Täterin gewesen, indem sie ihren königlichen Gatten aus blinder Leidenschaft vergiftet hatte. Eine Frau hatte einen Mann umgebracht, eine Frau war zur Täterin geworden. Welch ein Verstoß gegen die ungeschriebenen Gesetze der Männlichkeit! Männerhände zuckten nach oben, die dem Tod der gefährlichen Frau applaudieren wollten, sich aber nicht trauten. Stattdessen strahlten riesige Energiebündel verdeckter Mordlust nach oben an die Decke der "Black Box". Sie trafen auf die magischen Muster, die Yason schon vor langer Zeit dort hingemalt hatte. Yason blickte nach oben zu den wie schwarze Schlangen sich windenden gefangenen Kräften. Ganz langsam fiel der Vorhang. Er löste seine verkrampften Hände aus den zuckenden Seilen. Wenn alles gut gelungen war, würde sich diese unverbrauchte Energie durch die geheimen Muster bündeln. Und sie würde sich auf den von den blinden Nornen gewobenen Faden der Geschichte zentrieren und einen ganz bestimmten Knoten lösen. Dieser Knoten hatte bis jetzt das Leben von Raimond in empfindsamem Gleichgewicht gehalten.
    Nun jedoch...
    Yason hasste diesen Raimond. Dieser Mensch hatte die Frechheit, alles zu besitzen, was Yason nicht besaß: Größe, Kraft und diesen Blick, der Menschen so beeindruckte, wozu Yason viele Worte auffahren musste. Und Raimond hatte die Unverfrorenheit besessen, diesen Blick auf Lalien zu werfen. Und sie hatte gewagt, ihn Yason gegenüber zu erwähnen. Sogar mehrmals, dazu noch freundlich, bewundernd. Aber Yason hatte Lalien wieder einfangen können, ihr diese große Rolle verschafft, ihren Ehrgeiz bis zum Äußersten angestachelt. Nun, sie hatte ihr Bestes gegeben. Diesen Raimond aber würde es treffen, wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel. Vielleicht waren die Todesboten jetzt schon unterwegs.
    Der Vorhang war gefallen.
    Die überlebenden Schauspieler stöhnten vor Erschöpfung, gleichzeitig aber waren sie überglücklich.
    Yason hatte einen kleinen Umtrunk vorbereitet. Inzwischen waren Mortimers und Marias tote Körper in den eisigen Kellern der "Black Box" verschwunden. Man trank Sekt. Wenn auch die Stimmen durchaus gedämpft erklangen, spürte man doch die innere Bewegung der Schauspieler wie eine starke untergründige Meeresströmung durch die Truppe schwingen. Nach und nach fanden sich auch einige erlauchte Gäste aus dem Zuschauerraum ein. Der innere Kreis der Loge.
    Aus naheliegenden Gründen war für Aufführungen dieser Art strengste Verschwiegenheit notwendig. Gäste, die davon nicht ganz überzeugt waren, überzeugte ihr eigener, plötzlicher Tod. Gratulationen wurden geflüstert. Jeder wusste, dass jetzt außerhalb der "Black Box" Grauenhaftes in die Gänge kam. Allerdings konnte man sich bei magischen Manipulationen nie ganz sicher sein.
    Es klopfte dröhnend an die Bühnentür. Elisabeth die Erste von England öffnete spontan. Zwei Schwarzgekleidete traten ein. Silberne Haare flossen unter dunklen Hüten hervor.
    Einer trat gemessenen Schrittes auf die Mitte der Bühne zu und wendete sich an Yason: "Mit Verlaub, sind Sie Yason Kinger?"
    Yason hatte den ganzen Tag über schon gestunken wie ein sehr alter  Misthaufen. In diesem Augenblick aber verschärfte sich sein ätzender Geruch noch um einige Nuancen.
    "Ich..." Seine Stimme war nur ein heiseres Krächzen. " Ich bin Yason Kinger. Was wollen Sie von mir?" Zuerst dachte er an die Polizei. Irgendein verdammtes Schwein, dachte er, hat mir die Polizei auf den Hals gehetzt.
    Der Mann antwortete: "Umstände, die ich in aller Öffentlichkeit nicht näher beschreiben kann, zwingen mich, Ihren so schönen Abend zu unterbrechen. Wie mir scheint, hatten Sie eine erfolgreiche Aufführung. Meine Gratulation! Nun, Herr Kinger, wenn Sie mich jetzt bitte begleiten würden. Es handelt sich gewissermaßen um eine familiäre Angelegenheit von äußerster Brisanz."
    Yason Kinger folgte ihm wie in Trance.
    Der Wolkenkratzer der S.E.C.U.R.I.M. Versicherung wirkte von Weitem wie eine Faust, die von der Erde gegen die Wolken gestoßen wurde. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl nach oben. Kurz bevor sie oben ankamen, spürte er, dass sich einer der beiden Männer
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