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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos)
Autoren: Michael Schuck
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an seinem linken Fuß zu schaffen machte. Als der Fahrstuhl sich, auf dem Dach angekommen, öffnete, verließen ihn die beiden. Dann kam einer zurück und machte sich wieder an seinem Fuß zu schaffen. Plötzlich spürte Yason, dass da etwas an seinem linken Knöchel zerrte. Und dort in den Wolken, auf dem Dach des Hochhauses, presste sich Yason verzweifelt an die Fahrstuhlverkleidung. Eisiger Wind fegte ihm in die schweißfeuchte Festtagskleidung und drückte ihm den heißen Atem in den Hals zurück. Wie gebannt starrte Yason auf das dünne Drahtseil. Es lief von einer festen Schlinge um seinen linken Knöchel über das plastikbeschichtete Dach bis zu dem namenlosen Abgrund. Irgendwo zwischen dem 50. und dem 80. Stockwerk pendelte jetzt ein Gewicht, das stark genug war, Yason langsam aber sicher über diese harte Linie zu ziehen, an der die Welt abbrach. Yason klammerte sich an die Aluverkleidung des Fahrstuhlschachtes und seine Fingerknöchel traten weiß hervor. Es zog ihn nach unten. Er plumpste auf den Hosenboden. er versuchte sich an den Fahrstuhltüren festzuklammern, die zwar geöffnet waren, aber ein kleines bisschen aus ihrer Fassung herausragten.
    Das entsetzliche Gewicht streckte mehr und mehr seinen ganzen Körper. Es knackte in seinen Gelenken, der Hüfte, seinen Rückenwirbeln.
    Aber am schlimmsten traf es seine Finger. Sie waren gewohnt, Bleistifte zu halten, aber nicht sein eigenes Gewicht und noch ein paar Zentner mehr. Die Finger gaben nach. Yason rutschte bäuchlings über das glatte Dach, das keinerlei Widerstand bot und nur ganz wenig Reibung. Er wusste, dass seine letzte Chance nur in der Nutzung dieses entsetzlichen Augenblicks liegen konnte, in dem seine Beine über die Kante des Daches gezerrt wurden. Seine Rutschgeschwindigkeit nahm beängstigend zu. Er hörte ein Quietschen unter sich, wo heiße Luftmoleküle zwischen seinem Körper und dem Plastikdach eingequetscht wurden. Die Hitze ließ seine Haut kochen. Der ätzende Geruch von heißem Plastik und verbrannter Haut stieg ihm in die Nase. Dann kippten seine Beine ins Bodenlose. Das war der Augenblick, auf den er gewartet hatte. Blitzschnell versuchte er mit seinem Körper einen 90Grad -Winkel zu bilden, um als Haken am Dachrand hängen zu bleiben. Aber das grausame Gewicht riss ihn über die Kante, riss seine Krümmung auf, als sei er ein skelettloser Wurm, und dann spürte Yason nur noch den freien Fall. Seine Seele löste sich vom Körper, entfaltete seine Schwingen, stieß sich von seinem gequälten und verkrampften Körper ab. Er sah sich selbst dort stürzen. Er sah sich auf dem erbarmungslosen Pflaster mit entsetzlicher Wucht aufprallen. Sein losgelöstes Bewusstsein begann mühsam seinen Weg zurück durch sein Leben, er sah Marias Kopf über die Bühne rollen, sah seine eitle Freude...
     
     

Choki
    Julian hatte sich in die kalte Nacht hinausgewagt, weil ihm die Zigaretten ausgegangen waren. Es war Sylvesternacht, zwölf Uhr vorbei und die Straßen menschenleer.
    Er betrat die kleine Bar an der Ecke. Sie führten dort seine Marke. In dieser besonderen Nacht zwischen den Jahren wurde die Bar zum Treff der Einsamen. Sie legten jene hektische Betriebsamkeit an den Tag, dieses ständige Fragen nach denen, die noch nicht da waren oder denen, die schon wieder gegangen waren. Sie wollten vergessen, dass niemand, aber wirklich absolut niemand, sie heute Abend vermisst hatte, sie vermissen würde und morgen auch nicht.
    Die Bar hatte eine runde Theke fast in der Mitte des Raumes. Nur eine Schachtel Zigaretten zu ziehen hatte sich Julian vorgenommen. Aber dann war er doch an dieser Theke gelandet und fand ein Bier vor sich stehen. Der Wirt in der Mitte der Runde grinste ihn an und entblößte dabei schadhafte Fangzähne. Jetzt verließ er die Mitte, um einem Gast nachzuschenken oder einer der vielen einsamen Schönen in den Ausschnitt zu sehen.
    Der Blick wurde für Julian frei auf Cassia. Sie trug ein festgeschnürtes silbernes Ledermieder, das ihre starke Brust umfing. Ihr Haar war weiß gefärbt. Jung war sie bestimmt nicht mehr. Ihre Augen leuchteten hell wie Eis. Sie sah ihn an. Julian fühlte sich fixiert. Er schwankte, als hätte ihn eine Windböe getroffen. Die Frau glitt von ihrem Hocker und kam um die Theke herum. Julian klopfte das Herz bis in die Zunge. Einen Augenblick lang geriet er in Panik. Noch war es Zeit, noch konnte er dezent verschwinden. Aber da war es schon zu spät. Sie setzte sich auf den Hocker neben ihn.
    "Du
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