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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen
Autoren: Elke Meyer
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mir nie folgen. Das ist gefährlich, gerade jetzt.“ Er sagte es mit solcher Eindringlichkeit, dass sie ihm nicht widersprach.
    „Ich habe wieder diese Kälte gespürt, wie damals und doch anders“, stammelte sie.
    „Vielleicht ein Dämon. Aber wir werden es herausfinden. Jetzt musst du erst mal aus dem nassen Zeug raus.“
    Mit einem Fußtritt schloss er die Tür hinter sich, hob Amber auf die Arme und trug sie die Treppe hinauf. Sie lehnte ihren Kopf an seine nasse Schulter.
    „Du bist von mir entsetzt, nicht wahr?“ In seiner Stimme schwang Unsicherheit.
    „Ich war irgendwie nicht richtig darauf vorbereitet, aber ich werde mich wohl daran gewöhnen müssen.“
    „Und ich muss mich mit meinem Vampirdasein arrangieren. Bitte gib mir Zeit.“
    „Ja, Aidan, alle Zeit der Welt. Aber habe auch du Verständnis dafür, dass ich mit allem klarkommen muss, vor allem nachts allein zu sein.“
    Anstelle einer Antwort presste er sie an sich und küsste sie zärtlich auf den Mund.

-2-
    A mber fühlte sich schwerelos. Eine angenehm entspannende Wärme durchflutete ihren Körper. Es war ihr leicht gefallen, sich in Trance zu versetzen. Sie hatte nur auf die Kerze starren müssen. Allmählich begab sich ihr Geist auf eine ungewisse Reise in die Dämonenwelt. Unter halb geöffneten Lidern sah sie zu Hermit, der sie mit sorgenvollem Blick betrachtete, bevor er im Nebel verschwand.
    „Du bist noch nicht so weit, Amber. Das kann gefährlich werden“, hörte sie seine Stimme wie aus weiter Ferne. Er legte seine Hand auf ihre Schulter, doch sie schüttelte den Kopf.
    „Ich ... bin ... bereit.“ Ihre Zunge schwoll an und ließ sich nur schwer dirigieren.
    „Amber ...“ Hermits Stimme hallte wie ein endloses Echo in ihrem Kopf.
    Tausend Arme schienen sie rückwärts zu zerren. Widerstandslos ließ sie geschehen, dass ihr Geist aus dem Körper gesogen wurde. Sie schwebte kurz über ihrem Körper und betrachtete ihn, bevor Dunkelheit sie einhüllte.
    Nach einiger Zeit, die Amber wie eine Ewigkeit vorkam, erhellte ein rötlicher Schein die Finsternis. Wenn sie nicht wüsste, wo sie sich befand, glaubte sie, einen Sonnenaufgang zu erleben. Ihr Körper war leicht wie eine Feder und milchig, fast transparent. Sie sah ihr Herz in der Brust schlagen. Ein neues, aufregendes Gefühl voller Faszination. So weit war sie noch nie gegangen.
    Ihre Augen gewöhnten sich recht schnell an die schummrigen Lichtverhältnisse. Kaum zu glauben, dass sie jetzt ein körperloses Wesen war, wo sie sich doch sehen und ihren Körper fühlen konnte. So musste es auch nach dem Tod sein, jedenfalls stellte sie es sich so vor. Ein beruhigender Gedanke.
    Es dauerte eine Weile, bis sie die ersten Umrisse am Horizont erkannte, spitzzackige Berge, die den scharlachroten Himmel mit ihren Gipfeln kratzten. Ein bizarres Panorama, das alles übertraf, was sie bisher gesehen hatte. Vor ihr lag der Pfad, der sie ins Ungewisse führte, in eine Welt, von deren Existenz sie nur aus Legenden wusste. Die Welt der Dämonen. Hermit war schon einmal als junger Druide hier gewesen und hatte ihr davon berichtet. Jeder Druide musste sich dieser Herausforderung stellen, früher oder später. Sie hatte sich für früher entschieden, um das drohende Unheil abzuwenden, das wie eine Dunstglocke über den Highlands schwebte.
    Vor ihr schlängelte sich der Pfad, der dem nach Clava Cairn täuschend ähnlich war. Aber sie musste auf der Hut sein, alles in dieser Welt barg eine Täuschung. Dämonen verstanden es meisterhaft, Trugbilder zu erschaffen. Sie zwang sich, ruhig ein- und auszuatmen, bevor sie den Weg betrat. Waren ihre ersten Schritte noch vorsichtig, wurde sie nun zunehmend mutiger. Schließlich rannte Amber den schmalen Weg hinauf, vorbei an einem See, der wie Loch Gealach aussah, bis sie den Wald erreichte, an dessen Ende der Steinkreis lag. Schwerkraft existierte hier nicht. Unter der Wasseroberfläche erkannte sie bleiche Gesichter mit starren Augen, deren Lippen sich bewegten. Stimmen flüsterten ihren Namen.
    Der Waldboden unter ihren Füßen verschluckte jeden Schritt. Immer wieder warf Amber einen Blick zurück, um sich zu vergewissern, ob sie ihr bereits folgten.
    Kurz bevor sie den Wald erreichte, stoppte sie. Alle ihre Sinne waren aufs Äußerste geschärft. Der Himmel wölbte sich scharlachrot über den schwarzen Wipfeln. Hier herrschte absolute Stille, die nur durch ihr Atmen unterbrochen wurde. Jede Faser ihres Körpers war bis in den kleinen Zeh angespannt,
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