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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen
Autoren: Elke Meyer
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sie nicht träumte. Ungeduldig wartete sie auf den nächsten Blitz. Aber da war niemand mehr zu sehen.
    Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Was wusste sie schon von Vampiren? Nur das, was sie aus der einschlägigen Literatur kannte. Blut trinken und Unsterblichkeit fielen ihr dazu ein. Aber dass Vampire bei einem Unwetter auf Dächern herumturnten, davon stand kein Wort geschrieben.
    Plötzlich erklangen die Schritte genau über ihr. Erschrocken sprintete Amber zurück ins Bett und verkroch sich unter der Decke. Das konnte nicht Aidan sein. Der würde sie niemals so erschrecken. Und wenn es ein Werwolf war? Oder doch ein Dämon? Bloß nicht. Nein, ihr Gefühl sagte ihr: Es war Aidan. Weshalb zögerte sie dann, nachzusehen?
    Stille.
    Angespannt lag sie im Bett und horchte. Wieso kam er nicht zu ihr?
    Ein gewaltiger Donnerschlag ließ sie zusammenzucken. Normalerweise fürchtete sie sich nicht vor Gewitter, aber heute war alles anders. Eine neue, beängstigende Wende bahnte sich in ihrem Leben an.
    Vielleicht wollte sie gar nicht mit der Wahrheit konfrontiert werden? Wie würde sie reagieren, wenn er ihr blutverschmiert gegenüberträte? Sie wusste es nicht.
    Wenn es hell war, fühlte sie sich sicherer. Sie drückte den Schalter der Nachttischlampe an. Der klackte zwar, aber es blieb dunkel. Das nicht auch noch. Bestimmt war eine Sicherung raus. Amber krabbelte aus dem Bett und verharrte einen Moment, bevor sie auf Zehenspitzen zur Tür schlich. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Als wenn sie etwas Verbotenes tat.
    Vampire verfügten über ein sehr gutes Gehör. Das hatte sie in einem der vielen Bücher gelesen. Dann müsste Aidan sie eigentlich hören. Auch durch Mauern? Der Dielenboden knarrte bei jedem Schritt. Mit zitternden Händen kramte sie in der Schublade der Kommode nach der Taschenlampe. Wenigstens funktionierte diese. Beim leisesten Knacken des Gebälks fuhr sie zusammen. Und wenn er vielleicht vom Dach abgerutscht und ihm etwas geschehen war?
    Herrgott, er war ein Vampir, dem das Wetter nichts ausmacht. Sie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Schläfe. Aber es wollte nicht in ihren Kopf, obwohl ihr Gefühl es bestätigte. Wie viele Beweise wollte sie noch? Seine bleiche, kalte Haut, seine nächtlichen Ausflüge, bewiesen genug. Dennoch musste sie es mit eigenen Augen sehen, um es zu glauben und den letzten Zweifel auszuräumen.
    Barfuß lief sie die ausladende Treppe hinunter, die zum Eingangssalon führte und an dessen Ende sich das Hauptportal befand. Draußen rannte jemand über den Kies. Amber stoppte und versuchte, ruhig zu atmen. War es tatsächlich Aidan, der da draußen lief? Was trieb er? Jagte er etwas? Sie musste es endlich wissen.
    Ein letztes Mal schluckte sie gegen aufsteigende Übelkeit an, bevor sie mit einem Ruck die Tür aufriss. Ein Regenschwall schlug ihr entgegen und durchnässte ihren Pyjama. In dem dichten Regenvorhang war es schwer, etwas zu erkennen, und sie fror entsetzlich. Ein Blitz erhellte den Vorhof des Schlosses, und da sah sie ihn.
    Er stand unter einer Platane, nur wenige Schritte von ihr entfernt und wendete sich ihr zu. In seiner Miene lag eine Wildheit, wie man sie nur bei einem Raubtier beobachtet, das sich kurz vor dem Sprung auf seine Beute befindet. Seine Augen glühten rot, und zwei spitze Eckzähne ragten aus seinem Mund. Aidan war tatsächlich ein Vampir.
    Amber glaubte in diesem Augenblick, alles Blut sacke in ihre Beine, und ihr Herz setze aus. Der Boden unter ihren Füßen schien nachzugeben, und alles begann, sich zu drehen. Ihn so zu sehen, haute sie um. Die Gewissheit über sein Wesen zerschlug den letzten Rest Hoffnung.
    Sie schwankte, ihre Knie knickten ein. Ihre Arme suchten nach einem Halt, griffen ins Leere. Bevor sie zu Boden stürzte, fing er sie auf. Seine Arme hielten sie mit der gewohnten Sanftheit.
    „Mein Gott, Amber. Was machst du hier?“, hörte sie seine Stimme, die wie durch Watte zu ihr drang.
    „Ich hörte ... Schritte auf dem Dach. Und du ... warst nicht da.“ In ihrem Kopf herrschte ein einziges Chaos. Vampir! Vampir!
    „Und du hast nach mir gesucht?“
    Sie nickte. Als er sich über sie beugte, war das Glühen verschwunden und ein liebevoller Ausdruck lag in seinem Blick, der sie wärmte und ihre aufgewühlten Nerven beruhigte. Nur die Spitzen seiner Zähne lugten noch unter der Oberlippe hervor.
    „Du bist wirklich ein Vampir“, flüsterte sie und lächelte bitter.
    „Ja, und deshalb darfst du
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