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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen
Autoren: Elke Meyer
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Erlösung, die darin lag. Amber schloss die Augen. Jetzt wollte sie nur noch zurück. Im gleichen Moment spürte sie, wie ihr Geist die Rückreise antrat, und der Strudel sie in die Dunkelheit riss.
    Als sie wieder die Augen öffnete, blickte sie in Aidans Gesicht. Der bittere Zug um seinen Mund wich einem Strahlen.
    „Oh, mein Gott, Amber, ich dachte, ich hätte dich verloren“, stieß er hervor und presste sie an sich.
    Seine Lippen fanden ihren Mund zu einem verlangenden Kuss, in dem all die Verzweiflung lag, die ihn zuvor beherrscht hatte. Amber erwiderte den Kuss mit der gleichen Intensität. Sie konnte kaum fassen, dass sie aus der Schattenwelt zurückgekehrt war und nun in seinen Armen lag. Zum ersten Mal nach langer Zeit fühlte sie sich wieder in seinen Armen geborgen und sicher.
    „Du hast Samuel getötet, nicht wahr?“, flüsterte sie.
    „Ja“, antwortete er.
    Amber barg ihren Kopf an seiner Schulter. Sie war zu erschöpft, um all die Fragen zu stellen, die ihr auf der Seele brannten.
    Mit einem Seufzer löste sie sich von ihm. „Bitte bring mich nach Hause. Meine Wunden am Rücken brennen höllisch und ich bin hundemüde. Ich brauche dich heute.“

Epilog
    A mber stand vor Samuels Spiegel und betrachtete ihn nachdenklich. Er wirkte so harmlos, seine dunkle Aura schien verflogen, seitdem Samuel tot und Revenant besiegt worden waren. Tante Georgia hatte für ihn noch keinen Käufer gefunden. Deshalb sollte Aidan ihn am nächsten Morgen in den Keller tragen.
    Seufzend sah Amber zum Fenster hinaus. Draußen war es bereits stockdunkel. Sie musste sich zukünftig daran gewöhnen, allein zu schlafen. Wenn die Dämmerung hereinbrach, erfasste Aidan die Unruhe, das Fieber, das ihn hinaustrieb.
    Nur die Gewissheit, dass er immer wieder zu ihr zurückkehren würde, war, was zählte.
    Er hatte ihr versprochen, kein Menschenblut zu trinken, und sie vertraute ihm. Fast hätten sie einander durch Zweifel und Missverständnisse verloren. Die Furcht darüber saß noch immer tief und lebte neu auf, wenn er am Morgen in die Starre verfiel. Sie fürchtete, Revenant könnte seinen Geist nicht mehr aus der Schattenwelt zurücklassen. Aber Aidans Fähigkeiten hatten sich ebenso weiterentwickelt wie die ihren. Es war ihm möglich, die Reise in die Schattenwelt zu verhindern, wenn er regelmäßig Blut trank.
    Sicher würde es noch eine Zeit dauern, bis sie mit ihrem Leben an der Seite eines Vampirs klarkäme, aber ohne ihn leben, konnte und wollte sie nicht. Manchmal grübelte sie über ihre Liebe, die unter keinem guten Stern stand und trotzdem so stark war, dass alles andere neben ihr verblasste. Würde sie auch in Zukunft stark genug sein? Amber vermied es, darüber nachzudenken. Es kam alles so, wie das Schicksal es bestimmte.
    Wenigstens war die Kluft zwischen ihr und Mom nicht mehr so tief, und sie sprachen wieder ungezwungener miteinander. Dennoch konnte sie sich ihr nicht ganz anvertrauen. Vielleicht würde sich das eines Tages ändern.
    Mom schwieg noch immer hartnäckig, wenn Amber sie nach ihrem richtigen Vater befragte, und sie brachte nur wenig Verständnis für ihren Wunsch auf, ihn zu suchen. Nur Hermit wollte sie bei der Suche unterstützen. Der gute, alte Hermit. Er hatte sein Leben für sie und Aidan riskiert.
    Durch das geöffnete Fenster klang Kevins Musik zu ihr herüber. Seitdem er Jill kannte, stand er plötzlich auf Balladen. Amber schmunzelte und schloss die Augen. Es tat so gut, ihn zu necken. Endlich war der Friede wieder eingekehrt. Vielleicht kam Aidan heute früher zurück. Sie sehnte sich danach, sich in seine Arme zu schmiegen.
    Plötzlich hörte sie ein Kind weinen. Nebelschleier zogen über die Spiegeloberfläche. Als sie sich auflösten, schimmerte oben rechts der rote Mond. Amber beugte sich vor. Anstelle ihres Spiegelbildes sah sie einen kleinen Jungen, der auf dem Boden saß und herzerweichend weinte. Sie schätzte ihn auf sechs oder sieben. Das Gesichtchen unter dem blonden Strubbelhaar strotzte genauso vor Schmutz wie seine Kleidung, die nur aus einer schäbigen Leinenhose und einer karierten Wolldecke bestand. Das Bild wirkte so lebendig, als kniete das Kind direkt neben ihr. Amber fühlte keine dämonische Kälte, nur die Traurigkeit und Furcht dieses Jungen. Er sah auf. Konnte er sie vielleicht auch sehen? Amber erinnerte sich wieder an die Szene mit dem Magnolienbaum. Barg der Spiegel Erinnerungen? Vielleicht an Samuel?
    „Was hast du denn?“, fragte sie und schalt sich für
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