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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen
Autoren: Elke Meyer
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aber er ließ nicht von ihr ab.
    Cecilia leckte sich über die Lippen. „Nicht weit von hier. Zwischen den Hügelgräbern und Culloden.“
    Aidan kannte den Ort.
    „Wenn du mich angelogen hast, wirst du es bereuen“, raunte er ihr zu.
    Plötzlich zuckte er zusammen. Etwas steckte in seinen Eingeweiden. Der Triumph in Cecilias Augen ließ ihn an sich runterblicken. Ein silberner Messerschaft ragte aus seinem Bauch. Blut durchtränkte sein Sweatshirt. Der Schmerz benebelte ihn. Er stützte sich mit einer Hand an der Mauer ab, während die andere den Schaft umfasste und das Messer hinauszog.
    Cecilia schlüpfte unter seinem Arm durch und wollte davonrennen, doch im letzten Augenblick hielt er ihren Arm fest und zog sie zurück. Dann schleuderte er das Messer fort. Die überraschte Hexe schlug auf ihn ein und versuchte, sich loszureißen. Aidan stöhnte vor Schmerz auf, als sie ihm ihre Faust gegen die Wunde boxte.
    Doch die Gier erwachte in ihm, ausgelöst durch den Duft seines eigenen Blutes. Er brauchte Blut. Ihr Blut. Sofort. Mit einem Aufschrei zog er ihren Kopf an den Haaren zu sich und schlug seine Zähne in ihren Hals. Cecilia stemmte ihre Hände gegen seine Brust, aber er gab nicht nach. Mit jedem Zug, den er tat, verebbte der Schmerz in seiner Körpermitte und Cecilias Leben erlosch.
    Als ihr Herz zu schlagen aufhörte, ließ er von ihr ab. Sie glitt wie eine schlaffe Puppe zu Boden. Aidan sah auf sie hinab. Sie hatte es nicht anders verdient. Er wischte sich das Blut vom Kinn und begab sich auf die Suche nach Amber.

-30-
    S amuel oder Revenant? Bei der Geschwindigkeit, mit der seine Persönlichkeit wechselte, fiel es ihr schwer, zu unterscheiden, wen sie vor sich   hatte. Samuel und Revenant waren eine Einheit. Eine grauenvolle Vorstellung.
    Es machte sie wütend, wehrlos dazuliegen und ihn zu beobachten. Außerdem begann sie, das ununterbrochene Flüstern der Dämonen zu nerven. Sie musste Samuel zur Vernunft bringen. Aber wie? Sie konnte nicht sprechen, ihre Lippen waren gelähmt. Samuel hatte sich an die Schattenwelt verkauft, was bedeutete, dass ein Teil seines Bewusstseins dort weilte. Wenn es ihr gelänge, sich in Trance zu versetzen und ihn in der Schattenwelt zu treffen, könnte sie ihn vielleicht dazu bewegen, sich gegen den Geist des Vampirlords zu wehren. Dazu musste sie den Dämonenpfad erneut begehen. Bei dieser Vorstellung grauste es ihr. Aber es war die einzige Möglichkeit, den dämonischen Pakt zu brechen.
    Samuel beugte sich über sie. Amber sah die Reflexion ihres Gesichts in seinen Pupillen, als wäre sie darin gefangen.
    Im Schein der Fackeln wirkte sein Gesicht diabolisch. Seine Augen glänzten wie geschliffener Obsidian, kalt und düster. Samuel zog aus seiner Tasche einen metallenen Gegenstand. Amber erstarrte, als sie ein Brenneisen mit dem keltischen Kreuz erkannte. Es symbolisierte die Brücke zwischen Diesseits und Schattenwelt. Ihre Seele sollte auf die andere Seite wechseln. Alles in ihr schrie Nein!
    Samuel wandte sich um und hielt das Brenneisen über die Flamme einer Fackel. Bedächtig drehte er es hin und her. Das Flüstern der Dämonen ging in ein tiefes Raunen über.
    Reiß dich zusammen, Amber. Wenn du eine Druidin sein willst, musst du dich konzentrieren, deine Angst darf nicht siegen. Um in Trance zu fallen, brauchte sie einen festen Punkt, an dem sich ihr Blick festsaugen konnte. Bei Hermit hatte es eine Kerzenflamme bewirkt, hier jedoch lenkten die brennenden Fackeln sie eher ab, als dass sie sie unterstützten. Sie richtete ihren Blick zum Sternenhimmel empor. Der Abendstern leuchtete klar und wirkte zum Greifen nah. Die Vorstellung, in sein Licht zu tauchen, half ihr, sich auf die Bewusstseinsreise zu begeben. Schon nach wenigen Sekunden umhüllte sie sanft das Sternenlicht.
    Alles begann, in weite Ferne zu rücken, die Geräusche verklangen und die Konturen verschwammen. Eine angenehme Wärme durchflutete ihren Körper. Allmählich drängte ihr Geist aus der sterblichen Hülle und verließ sie. Ein starker Sog riss sie in die Dunkelheit. Amber ließ sich treiben, denn sie wusste, am Ende lag das rote Firmament. Ihr Herzschlag hallte wie ein lautes Echo, während sie schwerelos die Finsternis durchflog. Raum und Zeit wurden bedeutungslos.
    Nach einer halben Ewigkeit durchbrach ein roter Streifen die Dunkelheit. Ihr Ziel rückte näher. Die Gewissheit, dass es sich diesmal um keine Prüfung handelte, ängstigte sie. Es gab keinen Hermit, der sie zurückholte,
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