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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
Autoren: Martin Horvath
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zurück, Na, was ist, fragt Afrim herausfordernd, oder ist es Tomo, ich weiß es nicht, denn blitzschnell verwandelt sich der eine in den anderen und der andere in den einen, und die Verfolger weichen entsetzt zurück und lassen ab von den beiden. Und Afrim und Tomo reichen einander die Hände, plötzlich versteht jeder den anderen, und nie wieder wird es Krieg geben zwischen Serben und Albanern.
    Ich sehe Dunja, wie sie durch die Wälder hastet, ihre Geige hat sie fest unter den Arm geklemmt, den Geigenkasten scheint sie unterwegs eingebüßt zu haben, vielleicht könnte sie ohne Instrument schneller laufen, doch nie wieder wird sie sich davon trennen. Die Verfolger kommen näher, und plötzlich geht eine Veränderung mit Dunjas Körper vor sich, binnen weniger Sekunden verformt er sich, nein, er scheint in die Geige hineinzufließen, mit einem Mal ist Dunja verschwunden, die Geige fällt zu Boden, doch Farne bremsen den Fall und entziehen das Instrument den Blicken der Meute, sie läuft daran vorbei und versteht nicht, wie Dunja verschwinden konnte. Und ich sehe Djaafar, wie er seinen Verfolgern entkommt, indem er sich in einen Raben verwandelt, er dreht eine Runde über ihren Hohlköpfen, dann fliegt er davon, er fliegt in die Stadt, vor der Oper wartet er auf die Straßenbahn, er hüpft herein und setzt sich auf die Lehne vor mir, meine Freude ist groß, auch wenn ich sie nicht zeigen kann. Djaafar dem Menschen haben die Götter die Gabe des Redens genommen, Djaafar dem Raben haben sie sie gegeben, und ich lausche nun stumm, was er nach langen Jahren des Schweigens zu erzählen hat.
    Doch nicht alle können aus der Stadt flüchten, und mancher gerät, kaum entflohen, gleich wieder in die Fänge der entfesselten Meute. Rotkäppchen ist schnell, doch der Wolf ist schneller, er ereilt sie hinter den Sieben Bergen, er bringt sie zur wartenden Großmutter. Du kommst spät, tadelt ihn die Frau mit dem Kopftuch, er krümmt sich in Erwartung der Schläge, die da fallen werden, jetzt geh’ und hol’ meine Söhne, du Nichtsnutz, befiehlt sie, und fort eilt der Wolf. Großmutter, warum hast du so große Augen, fragt Nino derweilen. Damit ich dich besser sehen kann, wenn meine Söhne dich quälen. Großmutter, warum hast du so große Ohren? Damit ich dich besser hören kann, wenn du um Gnade winselst. Großmutter, warum hast du eine so große Nase? Damit ich besser riechen kann, wie du dir vor Angst in die Hose machst. Großmutter, warum hast du so große Hände? Damit ich besser in deinen Eingeweiden wühlen kann, wenn meine Söhne dich zerhackt haben. Großmutter, warum bist du so gemein zu mir? Weil ich nicht deine Großmutter bin, du kleine Kanakenschlampe.
    Die Straßenbahn fährt weiter, die Sieben Berge verschwinden aus meinem Blickfeld, als sie wieder auftauchen, kehrt gerade der Wolf zurück mit den sieben Söhnen, sie tragen alle die gleiche blaue Uniform, sie reichen Nino gerade einmal bis zur schlanken Taille, sie setzen sich an den Küchentisch und lassen die kurzen Beine von den Sesseln baumeln. Einer steht auf, öffnet die Kühlschranktür und wirft einen suchenden Blick hinein. Hast du keinen Glühwein, fragt er die Großmutter. Doch nicht im Kühlschrank, du dumme Nuss! Er kratzt sich am Kopf und lässt die Tür wieder zufallen. Ihr seid nicht zum Saufen hier, sondern zum Arbeiten, keift die Großmutter, los, fangt endlich an. Die Söhne blicken betreten zu Boden, sie gehorchen und schnappen sich Rotkäppchen, schnallen sie auf den Küchentisch und beginnen mit ihrer Arbeit. Sie reißen mit glühenden Zangen an ihren Brüsten, schlagen Nägel in ihren Lockenkopf, sie stecken sie in einen Topf mit siedendem Blei und legen sie auf den Rost über dem Kaminfeuer, Warum schreist du nicht, beschwert sich die Großmutter, Deine Söhne langweilen mich, antwortet Nino und gähnt, Ihr Stümper, schimpft die Großmutter, lasst euch was einfallen mit euren Zwergenhirnen! Ein Sohn bringt einen Salzstreuer und streut Salz auf Ninos Wunden, Das kitzelt, beschwert sich Rotkäppchen, ein zweiter holt die Pfeffermühle, doch die Großmutter schlägt sie ihm aus der Hand, Doch nicht Pfeffer, du Blödmann, ein dritter holt eine Winde, mit der man Nino die Eingeweide aus dem Leib zieht. Ist das alles, was ihr zu bieten habt, fragt sie gelangweilt, und die Großmutter keift, Ich will sie schreien hören vor Schmerz! Erst als man Nino zu vierteilen beginnt, ist der Anfang vom Ende erreicht, Das ist schon besser, lobt sie ihre
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