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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
Autoren: Martin Horvath
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Schnauzbart zu einer großen Menge und erzählt ihnen vom Wiedereintritt seiner Heimat ins Himmelreich, Es zieht, kreischen fünfundzwanzig alte Frauen, als Kamal das Fenster zu öffnen versucht, der Mann im ärmellosen T-Shirt schließt es wieder und schlägt Kamal in die Magengrube, die Fahrt geht weiter.
    O du selige, singen die Männer, die Tony kurz danach aus der Straßenbahn zerren, sie packen ihn in Zuckerwatte, auch er wird in einen Käfig im Rathauspark gesperrt und ans Gebäum gehängt. Ich bringe mich um, wenn ich nicht Asyl bekomme, kreischt das Mädchen in der Mitte des Wagens, Sie bringt uns um, wenn sie Asyl bekommt, singt der Chor.
    Als Nächster wird Haluk aus der Straßenbahn geholt, Aber ich bin doch Österreicher, würde er protestieren, hätte man ihn nicht geknebelt, er würde seinen Pass zücken, wären ihm nicht die Hände gebunden, Du wirst nie Österreicher, sagen die Männer, die ihn bei der Urania aus dem Waggon zerren, auch wenn du tausend Jahre in unserem Reich lebst, wirst nie du einer von uns, und sie werfen ihn in den Donaukanal, mit einem dumpfen Klatschen schlägt sein Körper auf der Wasseroberfläche auf und sinkt rasch, denn mit gefesselten Händen und Füßen kann ein Ausländer nicht schwimmen. Nino singt für Ilarion und Dunja spielt uns den Totenwalzer.
    Vor der Oper steigt wieder der Politiker mit den strahlend blauen Augen ein, Wir haben dreihunderttausend Arbeitslose in Österreich, wir haben dreihunderttausend Ausländer, rülpst er in die Straßenbahn, die Lösung ist einfach. Die Lösung ist einfach, wiederholen die Fahrgäste und tragen den Politiker auf Schultern durch die Straßenbahn.
    Auf dem Heldenplatz feiert sich die Nation, Kinder klettern auf Panzer und Kanonen, Flugzeuge donnern im Tiefflug darüber hinweg, Wir sind kein Einwanderungsland, schreiben sie in den Himmel, Wir müssen uns gegen die dritte Türkenbelagerung wehren, schallt es über den Platz, und die Soldaten stehen habtacht, Wir müssen unsere christlichen Werte verteidigen, lautet der Befehl, und die Soldaten entsichern ihre Waffen.
    Ihr werdet nie zu uns gehören, ruft der Politiker und springt von den Schultern seiner Träger, er geht in der Straßenbahn auf und ab, er redet und redet und redet, plötzlich quillt statt der Worte Scheiße aus seinem Mund, langsam und zäh rinnt sie an seinem Kinn herab, tropft auf Anzug und Krawatte und sammelt sich schließlich auf dem Boden, die ganze Straßenbahn riecht bald nach Fäkalien, die Menschen applaudieren. Es zieht, kreischen fünfunddreißig alte Frauen, als Kamal ein Fenster öffnet, der Mann mit dem ärmellosen T-Shirt verpasst ihm eine Ohrfeige und schließt es wieder.
    Vor dem Burgtheater ist eine Menschentraube aus dem Boden gewachsen, man unterhält sich, man atmet Punsch und Glühwein, man singt Weihnachtslieder, Menschenkinder spielen zwischen den Beinen der Erwachsenen, manchmal bleiben sie stehen und starren in den großen Käfig, den man hier aufgestellt hat, auch die Erwachsenen schauen hinein und feixen rotgesichtig, im Käfig drinnen kauern Menschentiere dicht gedrängt. Ich erkenne Afrim, da ist auch Amal, dort Nuriddin, die anderen kenne ich nicht, sie sind nur leicht bekleidet, während draußen die Humanoiden Pelzmäntel und dicke Jacken tragen.
    Kamal ist der Nächste, den man abholt, drei Polizisten lösen seine Ketten und zerren ihn aus der Straßenbahn, sie schleifen ihn quer durch die Stadt und setzen ihn in ein Flügelzeug, ab hebt es und fort schwebt es und bringt Kamal nach Griechenland und von Griechenland nach Italien und von Italien nach Griechenland und von Griechenland wieder nach Österreich, man sperrt ihn dann in einen Käfig vor dem Ringturm, auch dort rankt sich eine Menschentraube, Punsch und Glühwein und Glühwein und Punsch wärmen die Gemüter, der Käfig ist mit Glaskugeln und Lametta geschmückt, bei jedem Neuzugang grölt und johlt es draußen. Ich bringe mich um, wenn ich nicht Asyl bekomme, jämmert das Mädel in der Mitte des Wagens, Hör’ auf, uns zu langweilen, sagt einer, Wir sterben schon vor Langeweile, ruft ein anderer, Wir sterben, antwortet der Chor, vor Langeweile sterben wir.
    Sie kommen und reißen Ilarion von Ninos Brust, sie scheint es nicht wahrzunehmen, sie singt weiter ihr Wiegenlied, auch Dunjas Walzer klingt und klingt und klingt. Nicoleta sitzt reglos da, der Kopf ist auf die Brust gesunken, die Augen sind geschlossen, auch Zakia rührt sich nicht mehr, ihr Gesicht ist azurblau
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