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Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Titel: Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)
Autoren: Christian Biesenbach
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Kraft nahm, Harry im buchstäblich allerletzten Moment zu packen un d aus der Senke zu schleppen? … Nun, diese Fragen stellte sich am Ende niemand mehr. Alles, was Harry, Monica und Ari durchgemacht hatten in den vergangenen Tagen, war so verrückt und unglaublich, dass man davon ohnehin niemandem erzählen konnte, ohne dafür verständnisloses Kopfschütteln zu ernten. Tatsache war, Ari war plötzlich hinter ihm aufgetaucht. Er war also nicht aus der Senke verschwunden gewesen. In der Finsternis hatte Harry ihn lediglich aus den Augen verloren.
    Der drahtige Mann packte ihn unter den Armen, zog und schob ihn mit Leibeskräften zum sicheren Rand, wie einen zentnerschweren Sack Zement. Ari brüllte vor Anstrengung und der Schmerzen wegen, die Sems Stichverletzung ihm unzweifelhaft beibrachte. Seine Schreie gingen im Geräuschsammelsurium aus Sturm, stürzendem Beton und Holz unter. Aber Harry hörte sie deutlicher als jedes andere Geräusch, das je an sein Ohr gedrungen war. Er vergaß sie nie mehr. Ein einziges Mal rutschte Ari mit ihm ab, korrigierte seinen Griff und zog ihn mit einem letzten Ruck über den Rand. Ari verlor den Zugriff, stolperte voran, fiel in den Sand und lachte schallend auf.
    „Geschafft! Geschahahahafft!“
    Harry lag bäuchlings. Keine dreißig Zentimeter neben seinen Füßen grub sich der Pfeiler mitsamt Fundament tief in den Sand. Das Wasser wurde aus der Senke gedrückt und schoss zu allen Seiten hinaus. Und dann war der Spuk vorbei. Zurück blieben drei erschöpfte Gestalten und die letzten Reste eines vorbeiziehenden Gewitters.
     
    ***
     
    N achdem der Pfeiler seinen Platz gefunden hatte, verharrten Monica, Ari und Harry minutenlang im Sand sitzend oder liegend. Sie ließen das Unwetter auf sich einprasseln, lauschten dem Wind, den Wellen, dem peitschenden Regen und dem Grollen des leiser werdenden Donners.
    Margareta van Buurens Gefolgschaft war verschwunden. Es war, als habe die Sandbank persönlich jede ihrer gequälten Seelen verschluckt und ihnen den letzten Weg zu ewiger Ruhe geebnet. Ganz in der Nähe schwappten die Wellen immer höher und aufbrausender an Land.
    Die drei bewegten sich erst, als das Wasser bedrohlich zu steigen begann und die Gefahr groß wurde, d ass sie nicht mehr von hier fortkämen, wenn sie jetzt nicht aufbrachen. Sie rafften sich auf und machten sich auf den Weg.
    Lange bevor sie (sich gegenseitig stützend und durch Wasser watend, das ihnen bis über die Hüften reichte) an ihrem Boot ankamen, um diesen Ort für immer zu verlassen, wurde ihnen klar, dass die Flut schneller stieg, als sie laufen konnten.
    Harry sah den Tatsachen zuerst ins Auge. Sie hatten vorhin die ineinander verkeilten Pfeiler passiert, die Harry für das Tor zur Hölle gehalten hatte. Bis zur Sandy war es mindestens noch einmal so weit.
    „Wir werden es nicht schaffen“, keuchte er. Eine Welle schwappte von hinten heran und drückte ihn nach vorn. Er schluckte Salzwasser und würgte es wieder hinaus.
    „Haben es schon geschafft“, erinnerte Ari und Monica sagte: „Wir werden jetzt nicht aufgeben. Wir haben es bis hierhin geschafft. Den Rest bekommen wir auch noch hin.“ Am Ton ihrer Stimme erkannte man, dass es eine Floskel war, an der sie offensichtlich selbst zweifelte.
    Die Zweifel waren berechtigt und wurden bestätigt, als sie die Stelle, an der sie das Boot zurückgelassen hatten, leer vorfanden. Die Flut musste es mitgerissen haben.
    Ratlos standen die drei dort.
    „Schwimmen“, schlug Monica vor.
    Sie verwarfen die Idee beim Anblick von Ari Sklaatens blutendem Arm und Harry Romdahls Gesamtzustand.
    „Und wie geht’s dann weiter?“, fragte Monica. „Bleiben wir hier, bis wir ertrunken sind?“
    Harry schüttelte den Kopf. Nicht, weil er ihre zweite Frage verneinen wollte, sondern weil er keine Antwort darauf hatte. Inga hatte nie eingeplant gehabt, dass sie zurückkämen. Sandy war fort. Schwimmen unmöglich. Sie saßen fest.
    Hoffnungslos.
    Eine Sirene setzte ein und verstummte. Das Gluckern eines kräftigen Dieselmotors wehte mit dem Wind heran. Unvermittelt traf sie der aus der Düsternis aufleuchtende Strahl eines starken Scheinwerfers.
    „Achtung! Achtung! Hier spricht die Kustwacht “, ließ eine Männerstimme durch einen Lautsprecher bekannt geben. Harry seufzte.
    Doch nicht so hoffnungslos.
    Als sei es das Zeichen dafür gewesen, dass sie endgültig gerettet waren, gaben seine Beine nach und er brach zusammen. Sein Kopf tauchte in schwarzes Wasser. Ari
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