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Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Titel: Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)
Autoren: Christian Biesenbach
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bereits in den 70ern auf die verrückte Idee, das Restaurant dort hinzubauen“, begann der Touristenführer mit der Schilderung der Ereignisse und zog die Blicke damit wieder auf sich. 
    „Einige Jahre hat Sklaaten darüber gegrübelt, bis er schließlich zur Tat geschritten ist. Er errichtete diesen langen Holzsteg, der über die Buhne dort hinausragt. Diese dient ihm als solides Fundament. Der Steg endet schließlich 400 Meter weiter auf der Sandbank. Dort erbaute Ari Sklaaten im Jahr 1979, gegen alle behördlichen Widerstände, Het Meeuwennest . Aus verschiedenen historischen Dokumenten geht übrigens hervor, dass diese Sandbank das kümmerliche Überbleibsel einer kleinen Insel ist, auf der bis ins 18. Jahrhundert Diebe und Mörder ihr Urteil entgegennahmen. Zumeist handelte es sich dabei um Enthauptungen oder das Abtrennen diverser Körperteile, vorwiegend der Hände. Kulinarisch, geschichtlich betrachtet hat das Fundament also vor dem Bau höchstens Henkersmahlzeiten gesehen.“ Er lachte über den eigenen makabren Spruch, stellte dies jedoch schnell ein, als er bemerkte, dass niemand mitlachte.
    „Wie dem auch sei“, fuhr er nach einem Räuspern fort. „Von der Insel ist nicht viel übrig. Dafür thront auf acht tragenden, zehn Meter hohen Stützpfählen und Unmengen kleinerer Holzverstrebungen bis zum heutigen Tag das einstöckige Gebäude mit flachem Dach, wie ihr alle seht.“
    „Sicher hat man von dort aus einen herrlichen Rundumblick aufs Meer. Wieso wurde es geschlossen?“, wollte eine ältere Frau wissen, die nebenbei darum bemüht war, ihr grünes Sommerkleid gegen den zerrenden Wind in Position zu halten. Einige Touristen signalisierten murmelnd Zustimmung. Der Fremdenführer lachte.
    „Nun, das ist eine interessante Frage und gleichzeitig eines der größten Mysterien, die dieses Gebäude umgeben“, antwortete er.
    „Es heißt, dass Ari Sklaaten nach einem Nervenzusammenbruch vor über zehn Jahren die Geschäftsführung seines Restaurants in Rotterdam aufgeben musste. Davor hatte ein unangemeldeter Besuch des Gesundheitsamtes und der Polizei viele scheußliche Dinge zu Tage gefördert. Die Behörde hat beide Restaurants sofort schließen lassen. De Zeester konnte ein halbes Jahr später unter neuer Verantwortung wieder in Betrieb genommen werden, aber Het Meeuwennest blieb für immer geschlossen.“
    Der Glatzkopf machte eine Pause und runzelte die Stirn, als dächte er darüber nach, ob er die Geschichte bis dahin vollständig genug erzählt hatte, um Laien, wie sie vor ihm standen, ein plausibles Bild der Ereignisse vermittelt zu haben. Schließlich nickte er zufrieden und die Furchen oberhalb der buschigen braunen Augenbrauen glätteten sich wieder etwas.
    „Man sagt, Sklaaten sei daran zerbrochen. Er zog sich danach zurück. Zuerst in sein Privathaus in Middelburg. Ein paar Tage später beobachteten einige Spaziergänger, wie er allein über den Steg zu seinem Restaurant ging. Danach tauchte er nie wieder auf. Er ist einfach verschwunden. Niemand hat ihn je wieder gesehen. Ein Suchtrupp der Polizei hat sich einmal hinaus auf die Sandbank gewagt und das Gebäude betreten. Das war vor fünf Jahren. Es ging um ein paar Formalitäten, die Sklaaten nicht eingehalten hatte. Sie fanden dort jedoch nichts außer Chaos vor. Zerstörte Einrichtungsgegenstände, mit dem Küchenmesser zerschlitzte Wände, Unmengen an herumliegenden Zeitungsseiten, die alle über den Lebensmittelskandal in Ari’s Restaurants berichteten und ein zerbrochenes Fenster. Von Sklaaten gab es keine Spur und die gibt es bis heute nicht. Die meisten hier sagen, er habe sich dort das Leben genommen, sei mit aufgeschnittenen Pulsadern aus dem Fenster in die Nordsee gesprungen. Aber das sind alles nur Gerüchte, die keiner beweisen kann. Seine Leiche wurde jedenfalls nie gefunden.“
    Der Reiseführer hielt inne. Die Touristen hingen an seinen Lippen.
    „Einige Passanten wollen in den letzten Jahren immer mal wieder Licht dort drüben gesehen haben“, schob er dann in einem verschwörerischen Tonfall hinterher, um direkt darauf in ein breites Grinsen auszubrechen und in normalem Erzählton fortzufahren.
    „Das ist natürlich ebenfalls purer Mumpitz. Die Gemeindeverwaltung hat unmittelbar nach der polizeilichen Durchsuchung beschlossen, das Gebäude und den Steg komplett abzusperren. Es ist für niemanden mehr zugänglich und seitdem war auch vermutlich niemand mehr dort. Der Steg ist so baufällig, dass jeder falsche
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