Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörderischer Auftritt

Mörderischer Auftritt

Titel: Mörderischer Auftritt
Autoren: Anne George
Vom Netzwerk:
gegähnt und war wieder in den Schlaf gesunken. Jetzt hoffte ich, dass Muffin nicht beschloss, auf dem Küchentresen schlafen zu wollen. Ich setzte mich in meinen Sessel und drückte das laut schnurrende Tier an mich.
    Der Schlaf übermannte mich. Hatte ich soeben noch mitMuffin im Arm dagesessen, klingelte im nächsten Moment schon das Telefon. Es war kalt, und der Morgen hatte eine Stunde weniger.
    »Ihr Name ist Tammy Sue«, sagte Schwesterherz, als ich abnahm.
    »Wessen Name?« Ich war noch mehr als halb verschlafen.
    »Der von Virgils Tochter. Ist alles in Ordnung mit dir? Du klingst so schlapp.«
    »Ich fühle mich auch schlapp. Ich habe geschlafen. Warte eine Minute.« Ich holte mir ein Glas Wasser und kam zurück zum Telefon. »Okay.«
    »Also, ihr Name ist Tammy Sue, sie ist dreißig Jahre alt, und ihr Mann ist ein Elvis-Imitator.«
    »Ich dachte, der Elvis-Imitator sei ihr Bruder.«
    »Das ist er auch. Offenkundig gibt es im St. Cloud County ein ganzes Nest davon.«
    Ich dachte an diese ländliche Gegend: hügelige Landschaften, kleine Städtchen, Rinderfarmen. Ein Nest von Elvis-Imitatoren?
    »Wie kam es dazu?«
    »Wie kam es wozu?«
    »Wie wurde aus St. Cloud County ein Nest von Elvis-Imitatoren?«
    »Guter Gott, Maus, wie soll ich das wissen? Ich bin keine Historikerin oder Anthropologin. Virgil hat mir einfach gesagt, dass es einen ganzen Haufen davon hier oben gibt. Vielleicht ist es ja ein Club oder so was.«
    »Wie Rotary?«
    »Schon möglich.«
    Das glaubte sie doch selbst nicht.
    »Jedenfalls«, fuhr sie fort, »wird Tammy Sue heute Abend bei uns sitzen, weil ihr Mann mit auf der Bühne steht. Und danach gehen wir alle zusammen essen. Okay?«
    »Fred kann um zehn Uhr Abend nichts mehr essen wegen seines Sodbrennens. Er liegt sonst wieder die ganze Nacht mit Schmerzen wach und vermittelt mir den Eindruck, dass er jeden Moment eine Herzattacke bekommt.«
    »Nun, er kann doch ein Stück Pastete oder so essen.«
    »Das bringt auch nichts. Du hast ihn noch nie erlebt, wenn er einen dieser Anfälle hat.«
    »Wofür ich unendlich dankbar bin. Aber es ist eine große Sache, Tammy Fay und ihren Mann kennenzulernen. Und wir wollen ihnen heute Abend erzählen, dass wir heiraten. Ihr kommt alle mit. Fred muss ja nichts essen.«
    »Hast du nicht vorhin gesagt, ihr Name sei Tammy Sue?«
    »Das ist auch so.«
    »Jetzt hast du sie gerade Tammy Fay genannt.«
    »Ich bin mir sicher, sie hört auf beides.«
    »Pass auf: Wenn du ihr von dem sonnenblumengelben Brautjungfernkleid erzählst, solltest du sie besser Tammy Sue nennen. Okay?«
    »In Ordnung. Warum?«
    »Weil das ihr Name ist.«
    »Und du bist unverschämt. Aber wir treffen uns vor dem Alabama um Viertel vor acht.«
    Als ich aufgelegt hatte, fiel mir ein, dass ich ihr gar nicht erzählt hatte, dass Mitzi mit Elvis einen Boogie getanzt hatte. Sie würde bestimmt ganz aus dem Häuschen sein.

3
    Das Alabama Theatre ist einer der großen alten Filmpaläste aus den 1920er-Jahren. Geht man hinein, ist es, als beträte man eine maurische Burg im Alabama-Stil. Die Wände sind flächendeckend überzogen mit schnörkeligem Blumenstuck, vergoldetem Gitterwerk und spitzenartigen Ranken, die verdächtig nach Kopoubohnen aussehen. Elektrische Kerzen flackern in den Nischen, und wenn es dunkel wird im Saal, dann leuchtet der vergoldete Himmel rosafarben. Mit rotem Teppich ausgelegte Stufen, wie die, auf denen Rhett Scarlett aus dem Spiegelkabinett nach oben getragen hat (in der Lobby gab es einen Verkaufsstand mit dem besten Popcorn der Welt). Rhett hätte sie aber mit Sicherheit auf halber Strecke fallen lassen oder einen Herzanfall bekommen. Die Leute schnaufen und keuchen jedenfalls mächtig die Treppe hoch. Als wir noch klein waren und unsere Mutter mit uns dorthin ins Kino ging, war die im Stile eines Harems gestaltete Lounge im Untergeschoss die größte Attraktion für mich und Mary Alice. Wir verbrachten mehr Zeit in dieser Lounge, auf den roten Samtsitzen hockend und passiv Rauch inhalierend, als dass wir uns Filme anschauten. Häufig war die Show, die dort abging, spannender. Und für die Dialoge galt dasselbe.
    Eins versäumten wir allerdings nie: die Mighty-Wurlitzer-Orgel. Es wurde dunkel im Raum, ein Scheinwerfer ging an, und die Orgel erhob sich wie eine rot-goldene Kalliope zu mächtigen Akkorden aus Musik und Applaus. Obwohl esein Uhr mittags war, trug Mr Wurlitzer (wir dachten wirklich, dass er so hieß) stets einen Smoking und lud uns ein, mit dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher