Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörderischer Auftritt

Mörderischer Auftritt

Titel: Mörderischer Auftritt
Autoren: Anne George
Vom Netzwerk:
springenden Ball auf der Leinwand zu singen. Die reinste Freude.
    Wie Vulcanus machte auch das Alabama Theatre schwere Zeiten durch. Glücklicherweise ist man dabei, es zu restaurieren. Es strahlt nicht mehr ganz im selben Glanz wie früher, aber die Mighty Wurlitzer erhebt sich neuerlich im Scheinwerferlicht und lässt die Herzen aller ein wenig höher schlagen.
    Mary Alice und Virgil warteten auf uns unter einem alten Kinoplakat, das Werbung für ›Love Letters‹ machte, mit Jennifer Jones und Joseph Cotton in den Hauptrollen. Neben den beiden stand eine vollbusige blonde junge Frau in einer grünen Jacke und weißen Flanellhosen.
    »Das muss Tammy Sue sein«, sagte ich zu Fred.
    »Tammy Sue sieht ein wenig stämmig aus.«
    »Sie ist hübsch.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass sie das nicht ist. Ich sagte, dass sie stämmig aussieht.«
    Ich bedachte ihn mit meinem Lehrerinnenblick, der nach vierzig Jahren aber unmittelbar von ihm abprallte.
    »Was?«, fragte er. »Was ist falsch daran, stämmig zu sein?«
    Ein weiterer Lehrerinnenblick, dann lachten wir und schüttelten die Hand von Virgil, der wie General Norman Schwarzkopf und William Scott gleichzeitig aussieht.
    Ein paar Haarbüschel kleben noch oben an seiner Kopfhaut; sein Gesicht ist gezeichnet vom jahrelangen Militärdienst einschließlich zweier Kriege und mehrerer Auszeichnungen, über die er laut Mary Alice nicht spricht, und fast zwanzigjährigem Dienst als Sheriff des St. Clair County. Gut zwei Meter groß, ist Virgil eine eindrucksvolle Erscheinungmit dem reizendsten Lächeln, das ich je gesehen habe. Während ich seinem festen Händedruck standhielt, dachte ich, dass Mary Alice hier einen echten Hauptgewinn an Land gezogen hatte.
    Tammy Sues Lächeln war das ihres Vaters. Sie hatte ein rundes Gesicht und rosige Wangen, die danach verlangten, gekniffen zu werden. Und sie war wahrscheinlich naturblond, mit nur wenig Nachhilfe aus der Drogerie. Das sonnenblumengelbe Brautjungfernkleid würde sie nicht umbringen.
    »Ist es nicht wunderbar?«, sagte sie und zeigte auf die Schlange. »Die Veranstaltung ist ausverkauft.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Meine Nachbarin hat heute Nachmittag vergeblich versucht, noch Karten zu bekommen.«
    »Mein Mann Larry und mein Bruder Buddy werden Wracks sein vor lauter Nervosität.«
    »Die kommen schon klar«, sagte Virgil, während wir auf den Theatersaal zugingen.
    »Aber da sind zwei neue Jungs, die nicht ansatzweise genug geprobt haben. Und es muss synchron sein.«
    »Virgil junior ist also ›Buddy‹?«, fragte ich, während wir uns unseren Weg durch die Menge bahnten.
    Tammy Sue nickte. »Meine Mama hat immer gesagt, er sei ihr bester buddy , ihr bester Kumpel.« Sie blickte zu Mary Alice und Virgil, die vor uns standen. Es war ein seltsamer Blick, und ich versuchte mich zu erinnern, wie lange Virgil schon Witwer war. Drei Jahre. Egal. Tammy Sue hatte offenbar gemischte Gefühle.
    Sie wandte sich mir mit einem Lächeln und einem leichten Achselzucken zu. »Sie werden nicht glauben, welche Plätze Larry und Buddy für uns ergattert haben. Sie sind in der ersten Reihe.«
    »Das ist ja wundervoll. Wie haben sie das denn hinbekommen?«
    »Larry ist Theateragent. Er hat die Hälfte der Leute in der Show heute Abend unter Vertrag. Cook Fight ist seine größte Nummer.« Tammy Sue strahlte stolz.
    Fred, der lauschend meinen Arm hielt, beugte sich zu mir herüber und sagte, er habe gedacht, Hahnenkämpfe seien verboten.
    Tammy Sue kicherte. »Das ist eine Rockband, Mr Hollowell. Allerdings fehlt nicht viel zum Verboten-Sein. Sie sind manchmal ziemlich schockierend.«
    »Klingt interessant.« Ich drehte mich um und lächelte Fred an. »Und wir sitzen in der vordersten Reihe.«
    Er lächelte zurück und formte stumm mit den Lippen: Du bist mir noch was schuldig.
    »Ich zahle.«
    Mary Alice und Virgil bahnten uns gekonnt einen Weg durch die Menge. Schwesterherz ist gut in so was. Ihre beeindruckende Gestalt und die dazugehörigen Ellenbogen haben mir schon eine Menge Pfade geebnet. »Sei nicht so verdammt höflich«, sagte sie immer, während sie mich mit sich zog. »Und warum um alles in der Welt hast du nicht gegessen und bist nicht gewachsen?«
    Schwesterherz ist davon überzeugt, dass Kleinwuchs nicht in unserem Genpool angelegt ist. Ich musste deshalb magersüchtig sein. Manchmal pikste sie mir in die Rippen wie die Hexe bei Hänsel und Gretel und sagte: »Reine Knochen.« Was furchterregend sein kann und unbewusst der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher