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Moerderische Schaerennaechte

Moerderische Schaerennaechte

Titel: Moerderische Schaerennaechte
Autoren: Viveca Sten
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Mitternacht, und am nächsten Tag sollten wir zurück nach Rindö und entlassen werden.
    Er musste hereingekommen sein, während wir schliefen. Erschöpft nach dem langen Manöver, waren alle früh zu Bett gegangen. Wir waren am Ende unserer Kräfte.
    Er stand breitbeinig neben unserem Etagenbett, wo Andersson … Pär … in der unteren Koje lag. Ich schlief oben.
    Ich wachte plötzlich auf und sah, dass er am Fußende stand.
    Der Feldwebel machte eine unwirsche Handbewegung in meine Richtung. Kein Wort, bedeutete das. Das war ein Befehl, keine Bitte. Automatisch sprang ich aus dem Bett und nahm Haltung an.
    Im anderen Etagenbett schliefen Kaufman und Erneskog immer noch.
    Pär lag auf dem Bauch, wehrlos wie ein kleiner Junge, der eingeschlummert war und darauf vertraute, dass seine Eltern über ihn wachten. Sein rechter Arm war angewinkelt und die Hand lag unter seinem Ohr. Sein Rücken war nackt, er trug keine Pyjamajacke. Schlafend wirkte er jünger als seine zwanzig Jahre, er sah aus wie ein Schuljunge.
    Seine Wangen waren fieberrot. Er war krank und erschöpft und hatte sich gleich hingelegt, nachdem wir zurück waren.
    Der Feldwebel blieb vor ihm stehen. Ein grausames Lächeln umspielte seine Lippen, und seine Alkoholfahne schlug einem schon von Weitem entgegen. Er musste den ganzen Abend gesoffen haben. So betrunken hatte ich ihn noch nie erlebt. Was hatte er vor?
    Mit der geballten Faust boxte er Pär aufs Ohr.
    Mehr war nicht nötig. Ein Ruck ging durch den Körper, die Achseln zuckten, dann schlug Pär die Augen auf. Stumm sah er die Gestalt an, die vor ihm stand.
    Ich werde nie seinen Gesichtsausdruck vergessen, als er geweckt wurde. Die Angst im Blick, das lautlose Flehen.
    Und dann die Scham, als er sich daran erinnerte, was am vergangenen Tag vorgefallen war.
    Sein Körper fiel gleichsam in sich zusammen, er krümmte sich, als erwartete er eine verdiente Tracht Prügel.
    Der Geschmack von Angst stieg mir in den Mund, ein fader, metallischer Geschmack, der mit nichts anderem zu vergleichen ist. Der Gaumen wurde trocken, der Speichel zog sich zurück. Ich versuchte, mir die Lippen zu lecken, aber meine Zunge war wie ausgedörrt.
    Der Feldwebel war im Begriff, die Grenze zu übertreten.
    Ich wusste, dass ich etwas tun musste, um ihn aufzuhalten, aber ich traute mich nicht. Ich hatte solche Angst, dass ich mich beinahe bepisst hätte, und ich spannte die Gesäßmuskeln an, um die Blase davon abzuhalten, sich zu leeren.
    Kaufman und Erneskog waren inzwischen beide wach, aber der Feldwebel befahl auch ihnen mit einer Handbewegung zu schweigen. Dann griff er nach Pärs Arm und zog ihn aus dem Zimmer, hinüber zu den Duschen.
    Ratlos und wie gelähmt blieb ich ein paar Sekunden stehen, dann folgte ich ihnen den leeren Gang hinunter. Was hatte der Mann vor?
    Pär lag auf dem nassen Fußboden. Blaue Adern zeichneten sich unter seiner weißen Haut ab, und er zitterte in seiner Nacktheit. Aber er rührte keinen Muskel zu seiner Verteidigung.
    Er hatte sich wegbringen lassen wie ein Opferlamm, das nur auf die Schlachtbank gewartet hat.
    Der Feldwebel wandte sich zu mir um und grinste so breit, dass ich zu Boden blickte, um dem Wahnsinn in seinen Augen zu entgehen.
    Ich schielte zu Kaufman und Erneskog hinüber, die neben mir in der Türöffnung auftauchten. Sie rührten sich auch nicht.
    Im schwachen Licht einer einsamen Glühbirne starrten wir auf den Feldwebel, während er Schmierseife in einen breiten Putzeimer drückte und ihn mit Wasser füllte.
    Wenn bloß Kihlberg hier wäre, oder Martinger, dachte ich und spürte, wie mir das Weinen die Kehle zuschnürte. Sie hätten bestimmt was gesagt, sie hätten gewusst, was wir tun sollten.
    Aber im ganzen Haus waren wir die Einzigen, die wach waren. Die anderen schliefen im Obergeschoss.
    In der Nähe, aber viel zu weit weg.
    Kihlberg und Martinger waren die Stärksten in unserer Gruppe. Sie hätten den Feldwebel von seinem Tun abhalten können. Sie hätten eingreifen können, bevor es zu spät war.
    In meiner Verzweiflung sah ich Kaufman und Erneskog an und betete insgeheim, dass einer von ihnen handeln würde. Warum machten sie nicht den Mund auf und protestierten, warum brüllten oder schrien sie nicht, egal was, Hauptsache, es brachte den Feldwebel zur Besinnung?
    Aber sie waren ebenso feige wie ich.
    Vor ein paar Stunden noch hatte ich gedacht, dass wir bereit wären, füreinander in den Tod zu gehen. Jetzt begriff ich, wie falsch das war. Hier galt nur das Recht
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