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Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten

Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten

Titel: Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten
Autoren: Sutton Verlag GmbH
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Kapitän auf dem Dampfer ist ein alter Schulfreund von mir.«
    »Professor Hellmuth ist ein Schulfreund von dir? Das wusste ich gar nicht.«
    »Ist er. Oder haben die neuerdings mehrere Kapitäne an Bord?«
    »Bin ich der Seemann?«, gab ich zurück. Da wusste ich, dass Egon die Sache mit der Ermordung Schillers durch Goethe oder in dessen Auftrag nicht aufgeben würde.
    Wir gingen ins Schloss. Der Professor empfing uns mit großer Geste. Er war gerade dabei, eine Pizza zu verzehren, die er sich hatte kommen lassen. Und er erbot sich, auch für uns etwas durch seine Sekretärin holen zu lassen. Nein, dankten wir beide. Wir hatten schon zu Mittag gegessen.
    Natürlich räumte er die Pizza weg. »Egon, alter Seebär! Ich freue mich, dich nach   – mein Gott, wie viele Jahre ist das her? Unser letztes Klassentreffen liegt ein Dezennium zurück. Ich erinnere mich noch, Jochen hat doch damals gefilmt wie ein Kaputter. Hast du je etwas davon zu sehen bekommen?«
    »Hei is dod blä’m«, sagte Egon, der immer, wenn er sentimental wurde oder besoffen war, in sein geliebtes Plattdeutsch verfiel. Er ist tot geblieben, sagt man im Norden.
    »Jochen? Nein!«
    Das muss dem Professor aber sehr nahe gehen, dachte ich.
    »Unser Primus. Dat deit mie leed.«
    Ich wusste gar nicht, dass der Präsident auch ein Fischkopf war, wie man hierzulande die Norddeutschen nennt. Aber klar, wenn die beiden Schulkameraden waren   …
    »Wie Schiller«, sagte Egon. »Der ist auch tot.«
    Die heitere Miene des Präsidenten verfinsterte sich unmittelbar. »Erinnere mich nicht daran, Egon. Du kannst dir nicht vorstellen, was das für ein Schock war.«
    »Seebestattung«, sagte Egon. »Das hätte alle Spuren beseitigt. Das Leben kommt aus dem Wasser, es soll auch wieder dorthin zurück, damit der Kreislauf nicht gestört wird.«
    »Welche Spuren?«, fragte der Professor irritiert und offensichtlich mit einem leicht unguten Gefühl in der Magengegend.
    Da entwickelte Egon seine abenteuerliche kriminalistische Theorie.
    Der Professor hörte zu, nicht sonderlich begeistert, aber wenigstens höflich gegenüber seinem alten Schulfreund. Doch statt sich zur Sache zu äußern, fragte er unvermittelt: »Ist eigentlich mal wieder ein Klassentreffen geplant?«
    Und ich, in der Hoffnung, das auch dem Professor unangenehme Thema endgültig abzuschließen, sagte: »Wenigstens Goethe ist echt. Hoffe ich.«
    Da entgleisten dem Präsidenten der Stiftung Weimarer Klassik endgültig die Gesichtszüge. »Die Pizza«, sagte er gequält, »irgendwie habe ich sie nicht vertragen. Entschuldigt ihr mich, bitte? Ich glaube, das ist heute nicht mein Tag.« Er reichte Egon die Hand. Mir nickte er etwas unwillig zu. Ich ahnte doch nicht, dass ich mit beiden Füßen ins Fettnäpfchen getreten war.
    Egon blieb noch drei Tage. Es war eine schöne Zeit mit ihm. Wir lachten viel. Wir redeten viel. Von Schiller und Goethe kein Wort mehr. Dann fuhr er nach Hause.
     
    Ich hatte die Sache fast vergessen. Ein halbes Jahr später bekam ich einen Anruf vom Schloss. Der Präsident bat mich um einen Besuch, und ob ich die Freundlichkeit besäße, seiner Einladung zu einem gemeinsamen Essen zu folgen. Ich sagte zu und ging am nächsten Tag hin.
    Noch im Vorzimmer kam der Professor mit weit ausgebreiteten Armen auf mich zu und begrüßte mich mit einer Herzlichkeit, die ich in Erinnerung an unsere letzte Begegnung so gar nicht einordnen konnte. Er legte den rechten Arm um meine Schultern und führte mich in sein großes Präsidentenzimmer. Auf einem gesonderten Tisch war schon gedeckt. Er hatte zwei Pizzen kommen lassen.
    »Greifen Sie zu, mein Bester, greifen Sie zu! Sie wissen ja gar nicht, was Sie der Wissenschaft für einen großartigen Dienst erwiesen haben! Und Sie sollen der Erste sein, der davon erfährt.«
    Hier wurde ein Stück gespielt, das ich nicht kannte. Ich nahm auf dem mir zugewiesenen Stuhl Platz. Die Pizza duftete verführerisch.
    »Wir haben Goethe untersuchen lassen«, erklärte der Professor triumphierend.
    Da kriegte ich den Mund nicht zu und das Stück Pizza nicht rein, das ich auf der Gabel hatte. War er doch der Täter? Hatte Egon recht? Goethe ein Mörder? Mir schwante Böses.
    »Der Goethe in der Fürstengruft ist nicht Goethe!«, trompetete der Professor. »Und das haben wir Ihnen zu verdanken. Großartig!«
    Was daran so großartig war, und warum ich der Retter der Nation sein sollte, erschloss sich mir nicht.
    »Goethe ist nicht Goethe und Schiller nicht
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