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Moerderische Familienbande

Moerderische Familienbande

Titel: Moerderische Familienbande
Autoren: Anne George
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weiß ich noch genau, ich hätte das Negativ von meiner Schwester vor Augen: die gleiche Körpergröße, die gleiche Art zu gehen, die gleichen Eigenheiten. Sie trugen sogar identische Handtaschen. Aber Bonnie Blue war etwa fünfzehn Jahre jünger, und ihre Haut war wie feine Milchschokolade.
    Doch es war die gemeinsame Zuneigung zu Henry Lamont, dem Bräutigam des heutigen Tages, die uns zu richtigen Freundinnen hatte werden lassen. Bonnie Blue hatte mit ihm zusammengearbeitet, und ich hatte ihn unterrichtet, und ich denke, er steht uns beiden so nahe wie ein Sohn.
    Jetzt warteten wir gemeinsam auf das sich im Schneckentempo nähernde Auto, in dem wir Fred ungeduldig mit den Handflächen auf das Steuerrad klopfen sahen.
    „Wehe, Debbie macht den guten Henry nicht glücklich“, sagte Bonnie Blue. „Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe.“
    „Amen“, pflichtete ich ihr bei. Dann fiel mir ein, dass Debbie meine Nichte war und dass ich sie ausgesprochen gern hatte. „Ich hoffe, sie machen sich gegenseitig glücklich.“
     
    „Amen. Du und Fred - wie lange seid ihr schon verheiratet? „
    „Vierzig Jahre. Vierzig glückliche Jahre.“
    Das Auto blieb vor uns stehen, Fred lehnte sich zu uns herüber und öffnete die Beifahrertür. „Verdammt! Nächstes Mal könnt ihr zu Fuß gehen.“
    Der Empfang fand in einem Privatclub oben auf dem Red Mountain statt. Während man bei seiner Namensgebung nicht sehr einfallsreich gewesen war - er hieß nur „Der Club“ -, hatte man auf die Bauweise des Gebäudes viel Phantasie verwendet. Jeder Raum hatte Glaswände, die eine spektakuläre Aussicht auf Birmingham auf der einen Seite und Shades Valley und Shades Mountain auf der anderen Seite boten.
    Wenn Leute das erste Mal nach Birmingham kommen, sind sie stets über zwei Dinge verblüfft: Das eine ist die Hügeligkeit der Gegend, der sanft gerundeten Ausläufer der erzreichen Appalachen. Das zweite ist die Statue von Vulcanus, dem Gott der Schmiedekunst. Diese größte Eisenstatue der Welt steht auf dem Gipfel des Red Mountain, nicht weit von dem Club, in dem der Empfang stattfand. Vulcanus war von jedem Standort unten in Birmingham aus zu sehen und machte es einem nahezu unmöglich, sich zu verlaufen. Wenn man auf ihn zusteuerte, bewegte man sich gen Süden. Stand er zur Linken, ging man westwärts. Er war also gleichermaßen Orientierungspunkt wie Wahrzeichen der Eisenindustrie - dem ursprünglichen Fundament der Stadt.
    Und er ist eine hübsche Touristenattraktion. Am Sockel der Statue befindet sich ein schöner Park, in dem man picknicken kann, und wer die Stufen zur Spitze der Statue hinaufsteigt, wird mit einem eindrucksvollen Blick auf die Innenstadt von Birmingham und die fernen Berge belohnt.
     
    Auch einen netten kleinen Souvenirladen gibt es, in dem man T-Shirts kaufen kann und Bierkrüge mit der Aufschritt „Eisenpo“, die die Kehrseite der Statue ziert. Denn die Picknickenden werden vom größten Eisenhintern der Welt beschienen. Dasselbe gilt für die Bewohner der Südseite des Red Mountain. Vulcanus trägt nämlich nichts als eine Halbschürze.
    Alle paar Jahre wird ein halbherziger Versuch unternommen, sein Hinterteil zu verdecken. Aber stets ohne Ergebnis. In Wahrheit mögen die meisten von uns den alten Vulcanus ziemlich gern so, wie er ist, mit seinem nackten Hintern.
    Vom Club aus sah man Vulcanus von der Seite, was ihm etwas Majestätisches verlieh. Viele Gäste waren bereits auf die Terrasse getreten und blickten wie der Eisenmann über die Stadt. Die Hochzeitsparty fand allerdings im Tanzsaal statt. Debbie und Henry hatten sich gegen eine offizielle Begrüßung mit entsprechendem Empfangsdefilee entschieden, aber wie wir sehen konnten, war das weiße Kleid dennoch von Gratulanten umringt. Mary Alice war nirgends in Sicht.
    „Wo ist denn eigentlich Schwesterherz?“, fragte ich.
    „Hier“, zischte sie in mein Ohr und ließ mich hochfahren. „Komm mal mit und hilf mir mit dieser Strumpfhose. Die hängt mir ständig in den Kniekehlen.“
    „Ist das die, die ich dir verkauft habe? Ich habe dir gesagt, du sollst XXL extralang nehmen. Hast du etwa doch nur XXL genommen?“ Bonnie Blue, die im Big, Bold and Beautiful Shop arbeitet, nahm die Misere meiner Schwester persönlich.
    „Ich glaube, ich gehe mir mal Champagner holen oder was in der Art“, sagte Fred.
    Bonnie Blue runzelte die Stirn. „Wenn du nicht extralang
     
    genommen hast, watschelst du jetzt den ganzen Tag wie eine Ente umher,
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