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Moerderische Familienbande

Moerderische Familienbande

Titel: Moerderische Familienbande
Autoren: Anne George
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Marilyn war die Brautführerin ihrer
     
    Schwester. Mit ihren eins zweiundachtzig und dem brünetten Haar sah sie derartig aus wie ihre Mutter in diesem Alter, dass es geradezu gespenstisch war. Und wie sie neben meiner 1,55 m großen rotblonden Haley stand, das war wie Schwesterherz und ich vor dreißig Jahren.
    Die Orgel intonierte lautstark eine Fanfare, alles stand auf, und die Braut rauschte am Arm ihres Cousins Philip Nachman zum Altar. Rauschte war der richtige Ausdruck. Ihr Kleid hätte Prinzessin Di die Schamesröte ins Gesicht getrieben.
    „Mein Gott“, sagte Fred. „Dieses jungfräuliche Weiß blendet einen ja fast.“
    „Halt die Klappe.“ Ich versetzte ihm einen Stoß mit dem Ellbogen, als wir uns wieder setzten.
    „Liebe Brüder und Schwestern“, begann der Pfarrer. Mary Alice und ich griffen beide zum Taschentuch.
    Es war eine traditionelle Zeremonie. Debbie, die unabhängigste Frau, die man sich vorstellen kann, die sich mit ihren etwas über dreißig Lenzen seit Jahren allein durchgeschlagen hatte, und zwar gut, Gott sei's gepriesen, und die sich, als sie sich für Kinder entschied, in der Samenbank der Universität künstlich hatte befruchten lassen, diese Debbie wurde nun durch ihren Cousin an Henry Lamont „übergeben“, der sieben Jahre jünger war als sie. Ein wundervoller Mann, aber mit nichts zu beißen, wie man so schön sagte. Das war aber nur vorübergehend so. Henry würde einer der großen amerikanischen Köche werden, das wussten wir alle.
    Nach dem Traugelübde knieten Debbie und Henry zum Gebet nieder, und der Organist stimmte mit großem Getöse das Auszugslied an. Sie machten Halt, um Mary Alice zu küssen und eine ältere Cousine von Henry, die anstelle seiner Mutter dort saß. Das Brautgefolge stürmte grinsend
     
    vorbei, und dann eskortierte Philip Nachman seine Tante Mary Alice hinaus, während Freddie Henrys Cousine hinausführte.
    „So, das wär's“, sagte Fred.
    Die Leute standen auf und unterhielten sich lächelnd. Ich wischte mir ein letztes Mal über die Augen.
    „Das war eine Hochzeit, die hält“, sagte ich.
    „Eine was?“
    „Du weißt schon, was ich meine. Bei manchen Leuten ist einfach klar, dass sie zusammenbleiben werden.“
    Jetzt arbeiteten auch wir uns durch den Mittelgang nach draußen.
    „Hast du mir nicht gesagt, Mary Alice habe dem alten Philip versprochen, Debbie jüdisch zu erziehen?“, fragte Fred. „Das sieht mir hier aber gar nicht nach einem Tempel aus. Viel mehr nach einer Kathedrale.“
    Der „alte“ Philip, auf den Fred Bezug nahm, war Debbies Vater, Mary Alices zweiter Ehemann. Er war gleichzeitig auch der Onkel des „jungen“ Philip Nachman, seines Namensvetters, der die Braut ihrem Ehemann zugeführt hatte. „Sie sagt, sie hat es vergessen“, erklärte ich.
    „Sie hat es vergessen?“ Fred lachte lauthals. Er lachte noch immer, als wir aus der Kirchentür hinausschritten. Mir fiel auf, dass ich schon eine ganze Weile nicht mehr dieses inbrünstige, glucksende Lachen gehört hatte. Ich verspürte einen kurzen, sorgenvollen Stich. Aber nur eine Sekunde lang, da wir uns gleich darauf mitten in der Menge von Freunden und Verwandten befanden, die vor der Kirche umherschlenderte.
    „Patricia Anne!“, begrüßte mich Reiher-Luke mit einer herzlichen Umarmung. Er ist ein distinguiert aussehender millionenschwerer Versicherungsmanager in den Sechzigern. Er hat eine reizende Frau und einen Sohn, der Mit-
     
    glied des Repräsentantenhauses ist. Kurz gesagt führt er ein beispielhaftes Leben und ist der Glanzstern am Götterhimmel der Familie. Mary Alice hasst ihn nach wie vor.
    „Er hat so gereihert, dass ihm das Zeug sogar in den Wimpern hing!“, sagt sie immer. „Es kann einem ja schon mal beim Autofahren schlecht werden, aber er explodierte geradezu. Hat uns jede Urlaubsreise, egal wohin sie ging, versaut.“
    Schwesterherz kann sich besser als ich an diese frühen Exkursionen ans Meer erinnern. Ich mag Luke, obwohl ich gern ein wenig Abstand zu ihm halte - für alle Fälle.
    „Luke“, sagte ich und trat einen Schritt zurück, „schön, dich zu sehen. Schwesterherz wird sicherlich begeistert sein, dass du hier bist.“
    Er machte einen erfreuten Eindruck. Ich glaube, er hofft noch immer, Mary Alice würde ihm eines Tages vergeben. Schließlich war das alles sechzig Jahre her.
    Luke begrüßte Fred mit einem Handschlag, und ich umarmte seine Frau Virginia.
    „Was für eine wunderschöne Hochzeit“, sagte sie.
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