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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug
Autoren: Frank Goyke
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Erfahrung. Nachdem wir sie in der Mangel hatten, sind sie meist …« Wie klein, zeigte Barbara mit Daumen und Zeigefinger.
    »Oh, da passt ja nicht mal mehr ein Fingerhut zwischen.«
    »Sag ich doch.« Sie wandte sich an Uplegger. »Sie wissen, dass mir Sozialarbeiter ein Gräuel sind. Sprechen Sie mit Giehlow? Ich spiel nur Mäuschen …«
    »Okay.« Uplegger öffnete die Tür, und sie traten ein.
    Diplom-Sozialpädagoge Frank Giehlow saß nicht, sondern er stand am Fenster und trommelte zwischen zwei Kakteen auf das Fensterbrett. Recht groß war er, vielleicht eins achtzig, schlank, trug schwarze Jeans, schwarze Schuhe und über dem kragenlosen weißen Hemd ein schwarzes Jackett. Rund um seine Stirnglatze reichte ihm das Haar bis auf die Schultern. Sofort schnatterte er los. »Unerhört«, »nicht hinnehmbar«, »Beschwerde bei allerhöchster Stelle«, die Worte sprudelten nur so aus seinem dünnlippigen Mund. Barbara stellte sich vor, dass er mit der allerhöchsten Stelle vermutlich Gott meinte – und schwieg.
    »Nehmen Sie doch erst einmal Platz, Herr Giehlow«, sagte Uplegger, die Ruhe selbst. »Haben Sie denn keine Vertretung, die Sie anrufen können?«
    »Ich?«, brauste Giehlow auf. »Ich bin die Vertretung. Normalerweise mache ich keine Nachtschichten, aber kaum beginnt der Herbst, heißt es ständig: Kind krank, Kind krank, Kind krank! Es gibt nichts Schlimmeres als alleinerziehende Mütter. Die finden immer einen Grund, aus dem sie um 17 Uhr den Bleistift fallen lassen.«
    »Bitte!« Uplegger deutete auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch des Bahners, der hier für gewöhnlich residierte. Seufzend folgte Giehlow der Einladung. Uplegger platzierte sich hinter den Schreibtisch. In Ermangelung weiterer Sitzgelegenheiten hockte sich Barbara auf einen niedrigen Aktenschrank und schlug ihren Notizblock auf.
    »Was genau machen Sie bei der Gesellschaft für psychosoziale Betreuung ?« Uplegger gab sich Mühe, die Stimmung anzuwärmen.
    Giehlow warf seinen Haarkranz zurück. »Ich arbeite wissenschaftlich.«
    »Sie forschen?«
    »Wir betreuen in Rostock-Groß Klein und auch anderswo Klienten, die Opfer von Mobbing und Cyber Bullying geworden sind. Sie wissen, wovon ich spreche?«
    »Mobbing per Internet.«
    »Exakt. Innerhalb des von der EU geförderten Forschungsprojektes eCircus …«
    »Pardon, wenn Sie gestatten, was heißt das?«
    »Education through characters with emotional-intelligence and role-playing capabilities that understand social interaction.«
    »Interessant.« Uplegger bemühte sich um ein Pokerface, Barbara hatte mittlerweile eine Katze gezeichnet.
    »Ja«, sagte Giehlow. »Im Rahmen von eCircus wird ein computergestütztes Lernprogramm getestet. Die Lernenden übernehmen einen virtuellen Charakter an einer virtuellen Schule und spielen auf diese Weise adäquate Verhaltensweisen durch. Ich begleite den Programmtest in verschiedenen Einrichtungen dokumentierend und analysierend.«
    Uplegger überlegte kurz, ob es nützlich wäre, das Spiel für Marvin zu beschaffen. Sein allseits beliebter Bengel hatte unter Mobbing wohl kaum zu leiden – oder vielleicht doch?
    Barbara gesellte der einsamen Katze einen Hasen bei, Uplegger krempelte unsichtbare Ärmel hoch. »Sprechen wir über den heutigen Abend.«
    »Den gestrigen«, korrigierte Giehlow.
    »Natürlich, da haben sie recht. Wann und wo haben Sie den Zug bestiegen?«
    »In Pölchow, da wohne ich. Abfahrt war acht Minuten vor zehn.«
    »Benutzen Sie immer den Zug?«
    »Gelegentlich, das spart Geld. Wir haben vor drei Jahren gebaut und konnten das nicht aus der Portokasse finanzieren.«
    »Nicht mal aus der des Vereins?«, platzte Barbara heraus. Uplegger sah sie ärgerlich an.
    »Bitte?«, fragte Giehlow.
    »Ich habe nichts gesagt.«
    »War das eine Unterstellung?«
    »Wir sind alle etwas angestrengt«, sagte Uplegger und meinte damit Barbara. »Sie fahren also nur gelegentlich mit der Bahn?«
    »Ja. Meine Frau ist ebenfalls Sozialpädagogin. Sie ist in einem Wohnheim in Waldeck tätig und muss regelmäßig nachts arbeiten. Waldeck ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln fast nicht zu erreichen. Wir teilen uns das Auto. Familiäres Car-Sharing, wenn Sie wollen.«
    »Klar. Sie bestiegen in Pölchow also den Zug um 21.52 Uhr. Welchen Waggon?«
    »Den in der Mitte.«
    »Und dort gingen Sie nach …?«
    »Unten. Ins zweite von diesen offenen Abteilen, auf der linken Seite.«
    »Bemerkten Sie andere Fahrgäste?«
    »Hm. Etwas weiter auf der rechten Seite
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