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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
Autoren: Hinstorff-Verlag
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sie das wissen, sie sah ihn zum ersten Mal.
    »Kann sein …«
    »Du bist sicher die Neue?«
    Barbaras Lächeln erstarb und wich einem eiskalten und so verächtlichen Ausdruck, dass das Männchen einen Schritt zurückwich.
    Jonas Uplegger hatte eine enorme, für ihn eigentlich untypische Wut im Bauch. Mit heftigen Bewegungen fummelte er den Wohnungsschlüssel aus der Hose. Seine Arbeit ließ ihm schon oft genug zu wenig Zeit, sich um seinen Sohn zu kümmern – und nun hatte er sich auch noch in den Landesvorstand des Bundes Deutscher Kriminalbeamter wählen lassen.
    Ich Idiot, dachte er. Als ihm der Kofferträger die Kandidatur angetragen hatte, hätte er einfach abwinken sollen. Aber nein, er stiefelte brav zur Jahreshauptversammlung, von der sich die Riedbiester abgeseilt hatte. Sie konnte doch gar nicht so viele Therapietermine haben, wie sie vorschob, aber jedermann nahm auf sie Rücksicht. Dass er einen fast 15-jährigen Sohn allein erzog, daran dachte keiner – weil er selbst es nur selten zur Sprache brachte.
    Uplegger stieß die Tür mit einem Tritt auf. Warum hatte er genickt, als der Versammlungsleiter die Kandidatenliste vorlas und die Reihe an ihn gekommen war? Warum hatte er die Wahl später angenommen? Weil er einfach nicht Nein sagen konnte.
    Barbara machte eine Alkoholtherapie; vielleicht sollte er eine machen, bei der man das Nein-Sagen lernte.
    Im Flur fiel sein Blick auf zwei Paar Turnschuhe: die sauberen, fast parallel stehenden blauen Wildleder- Adidas im Retrolook gehörten seinem Sohn Marvin, die roten Stoffschuhe von Converse mit den aufgeplatzten Nähten und der Schmutzkruste, die wie Kraut und Rüben lagen, waren die des allerbesten Freundes Tim. Auf den war Uplegger manchmal heute noch sauer, schob er doch die Neigung seines Sohnes zur Selbstverstümmelung auf eine kurze, aber sehr heftige Vertrauenskrise zwischen den beiden Jungen. Längst waren sie wieder ein Herz und eine Seele, aber Marvin quälte sich und seinen Vater mit ständig neuen Piercings.
    Uplegger streifte die Schuhe von den Füßen. Auf einen Verrat seines Freundes hatte Marvin mit Trauer und Aggressionen reagiert, nur hatten sich diese Aggressionen nicht wie bei einem normalen Jungen nach außen, sondern wie bei einem Mädchen gegen sich selbst gerichtet: Für Uplegger jedenfalls war das Piercing ein Zeichen von femininer Autoaggression. Aufgrund dessen kam bei ihm immer mal der Gedanke auf, Marvin könne schwul sein. Er unterdrückte ihn, weil er ihn für grotesk hielt und weil er das Psychologisieren ablehnte, zumal er es ja nur zum Küchenpsychologen gebracht hatte. Und zum Mitglied des BDK -Landesvorstands, verflixt und zugenäht. Oder verfickt und zugedröhnt, wie Marvin manchmal sagte.
    Uplegger schickte sich an, auf Socken ins Wohnzimmer zu gehen und sich einen winzigen Grappa zu genehmigen, als sein Smartphone die Ankunft einer SMS anzeigte. Er zog das flache Gerät aus der Hosentasche und runzelte die Stirn, als er den Absender sah. Vielleicht hatte BRied etwas Dienstliches auf dem Herzen, vielleicht wollte sie ihm zur Wahl gratulieren – eine Gratulation wäre schlimmer. Egal, jetzt nicht. Uplegger öffnete seine karg bestückte Hausbar. Da ging noch eine SMS ein. Wieder von BRied . Wenn sie es so dringend machte, gab es vielleicht wirklich etwas Wichtiges auf der Arbeit, also öffnete er die Mitteilungen doch.
    Sie surfen ja so gern im Internet, lautete die erste, können Sie nicht mal rausfinden, ob es noch Silastik gibt?
    Uplegger verdrehte die Augen.
    Ihr war dann noch etwas eingefallen: Oder schreibt/schrieb man Silastik mit C?
    Uplegger tippte sofort eine Antwort: Nein, Cilastik hieß es auf keinen Fall! Dann öffnete er mit einem leichten Schmunzeln die Grappa-Flasche. Er hielt Barbara für eine Jungfrau, aber sie hatte jedes Vierteljahr so etwas wie einen neuen Schwangerschaftstick. Unlängst waren es saure Drops gewesen, nach deren Existenz sie unbedingt fahnden musste, jetzt also Silastik.
    Und sie musste immer das letzte Wort haben:
    Ihr Humor ist so gut, hoffentlich mache ich mir vor Lachen nicht in die Cilastic-Hose.
    Dabei war Barbara schon wenig später zum Heulen zumute. Sie waren zu zehnt. Robert, das Hutzelmännchen, moderierte die Gruppe, und weil »ein neues Mitglied zu uns gefunden hat«, wie er es ausdrückte, stellten sich erst einmal die alten Hasen vor: mit Vornamen und Suchtmittel. Für Barbara war das nicht nur ungewohnt, es kam ihr auch ziemlich absurd vor, denn es klang, als würden
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