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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
Autoren: Hinstorff-Verlag
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die Augen zusammen … Warum war Miriams Kamera nur so schlecht?
    Aber das war doch ein Schwert? Ein Samuraischwert? Nein, auf keinen Fall. Ein Buschmesser? Ja, so sah es aus: Der Maskierte holte mit einer Machete aus!
    Miriam, Vorsicht!, tippte er hektisch.
    Das Messer sauste auf ihren Kopf zu. Stephan sah noch so etwas wie Erschrecken in ihren Augen. Schnell startete er das Aufnahmeprogramm Fraps 3.5.0.
    Dann wurde die Klappe ihres Laptops geschlossen.

I Sturmflutsaison
    Das Entsetzen hatte einen Namen: Trockendock. Für gewöhnlich wurden auf solchen Docks Schiffe gebaut oder repariert, aber dieses Trockendock diente der Reparatur von Menschen.
    Barbara Riedbiester bedauerte längst, gegenüber der Suchtberaterin des Polizeipräsidiums den Wunsch geäußert zu haben, mit dem Trinken aufzuhören; sie hatte sogar um Hilfe gebeten, aber das hatte sie schnell verdrängt. Sie bat nicht um Hilfe. Sie nicht! Drei Ausrufezeichen.
    Nach mehreren ebenso ausführlichen wie peinlichen Gesprächen hatte ihr Frau Dipl.-Psych. Grünberg eröffnet, sie erwarte von allen Klienten, sich eine Selbsthilfegruppe zu suchen. So sagte sie immer: Klienten statt Patienten. Klientin Barbara fand eine solche Gruppe in der Broschüre Angebote für Suchtkranke in der Hansestadt Rostock , die ihr die Diplompsychose überreicht hatte. Heute hatte sie ihren ersten Termin beim Trockendock e.V.
    Zu dem Verein gehörten mehrere Selbsthilfegruppen; eine traf sich auf dem Grundstück der Beratungsstelle am Wasserturm, einer Einrichtung der Evangelischen Suchtberatung, die sich in einer schönen Villa am Anfang des Dahlwitzhofer Weges befand – in einer solchen Villa sollten Trinker und andere Süchtige einen Weg zu zufriedener Abstinenz finden. Dieses Schlagwort benutzte nicht nur die Diplompsychose häufig, es stand auch auf der Webseite des Vereins.
    Für Barbara war es nur ein Sprung von der Dienststelle in der Blücherstraße, sie hätte den Weg durchaus zu Fuß absolvieren können, aber sie war mit dem Dienstwagen gekommen, weil der ihr einen sicheren Rückzugsraum bot. Aus dem Wagen heraus beobachtete sie drei Männer und zwei Frauen, die eher eilig als genussvoll zu rauchen schienen, ansonsten aber völlig unauffällig wirkten: Barbara vermutete in ihnen Gruppenmitglieder und war überrascht, hatte sie doch mit abgezehrten Gestalten gerechnet, mit eingefallenen Gesichtern. Wirkten die Abstinenten zufrieden? Das konnte man nicht sagen. Andererseits: Gab es überhaupt noch zufriedene Menschen? Barbara hatte schon lange den Eindruck, diese Spezies sei ausgestorben.
    Mit einem lauten, an Gott und das Universum gerichteten Seufzer stieg sie aus. Sie war aufgeregt, so als würde sie in wenigen Minuten vor Hunderten von Menschen ein Gedicht vortragen müssen, ihr Herz klopfte wild, vor allem aber hatte sie Durst. Vor 42 Tagen hatte sie ihr letztes Bier getrunken. Sie zählte die Tage wie ein Entlassungskandidat beim Militär, im Gegensatz zu ihm war sie jedoch froh über jedes Plus. In acht Tagen, beim Erreichen der 50, würde sie feiern. Zum ersten Mal nach längerer Zeit würde sie ihre Stammkneipe in der Stampfmüllerstraße aufsuchen, um vor den Augen der versammelten Säufer literweise Kaffee in sich zu schütten und um zu triumphieren .
    Barbara näherte sich peu à peu. Zuerst einmal lenkte sie ihre Schritte zu der Anschlagtafel. Dort hing neben den Öffnungszeiten der Beratungsstelle und den Gruppenterminen der Trockendocker ein Zettel, der auf die Existenz eines alkoholfreien Kellercafés hinwies. Aus den Augenwinkeln schielte sie auf die Gruppe, und die Gruppe beäugte sie. Natürlich wussten die genau, zu wem sie wollte, und Barbara wusste, dass sie wussten …
    »Hallo!« Jemand tippte ihr auf die Schulter.
    Sie fuhr herum und schaute in das zerfurchte Gesicht eines uralten Mannes, eines wahren Hutzelmännchens, denn klein war er auch noch. Und er trug seltsame Kleidung, einen rentnergrauen Blouson mit Bündchen und eine Hose, die ostig wirkten – so etwas dachte Barbara als geborene Ostdeutsche nicht oft, aber hier traf es einfach zu. Wie hatte man den Stoff bloß genannt, aus dem die Hose zu bestehen schien? Silastik? Gab es dieses Material überhaupt noch?
    Zu den vielen Dingen, die sie hasste, gehörte es, wenn sie jemand von hinten an der Schulter berührte; das war nur noch durch unerlaubtes Duzen zu toppen. Aber sie machte gute Miene zum bösen Spiel und lächelte.
    »Haben wir telefoniert?«, fragte das Männchen. Woher sollte
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