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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
Autoren: Hinstorff-Verlag
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alle entweder Alkohol oder Alkoholiker heißen: Anna Alkohol, Manfred Alkohol, Robert Alkoholiker. Oder Jonah Alkoholiker, mit 37 der Jüngste im Bunde, der etwas später als Barbara gekommen und ihr sofort aufgefallen war. Er war groß und durchtrainiert, aber nicht übertrieben muskulös, er war blond und hatte blaue Augen und sah überhaupt nicht wie ein Trinker aus, sondern wie ein vom Leben verwöhnter Sunnyboy. Barbara mochte diesen Typ Mann eigentlich nicht. Aber dieser Jonah war schon ziemlich attraktiv.
    Sie hatte nicht viel Zeit, ihm ihre Aufmerksamkeit zu widmen, denn schließlich kam die Reihe an sie. Alle schauten sie aufmunternd und erwartungsvoll an. Das war ja wie eine Hinrichtung. Allerdings wurde bei einer Hinrichtung wohl eher der Henker aufmunternd angeschaut und nicht der Delinquent.
    »Ich bin Barbara«, murmelte sie mit gesenktem Blick. Nein, das ging überhaupt nicht. Und nun noch das Suchtmittel … Nicht den Dienstgrad?
    »Und dein Suchtmittel, Barbara?«, fragte Anna Alkohol in freundlich-einschmeichelndem Ton. Barbara hätte ihr gern das Gesicht zerkratzt.
    »C-zwei H-fünf O-H!« Barbara konnte nicht anders.
    »Das ist hier keine Chemiestunde«, sagte Wolfgang angesäuert und gar nicht zufrieden.
    »Aber am Anfang blockiert fast jeder«, meinte Robert sanft.
    »Alkohol«, sagte Barbara tapfer.
    »Ist es dir noch peinlich, über deine Sucht zu sprechen?«, wollte Robert wissen.
    Sie nickte und dachte zugleich: Du, dein, dir, dich – niemals!
    »Kannst du uns noch mehr über dich erzählen?«
    Über sich erzählen? Das hatte noch nie jemand von Barbara verlangt, außer der Grünberg, die ständig in der Kindheit herumstocherte. Da gab es auch nicht viel, was erzählt zu werden lohnte. Ihr Vater hatte gesoffen und seine Frau – ihre Mutter – geschlagen, dann war er an Krebs krepiert. Die Mutter war daraufhin nicht etwa aufgeblüht, nein, sie hatte den Vater verklärt und ihm nachgeweint und schließlich selbst mit dem Saufen angefangen. Für die Grünberg war das ein Schlüssel, Barbara fand das viel zu privat.
    Anna Alkohol baute ihr eine goldene Brücke: »Fang doch einfach mit deinem Job an. Oder hast du keinen? Hartz IV? Musst dich nicht schämen, ich krieg’s auch.«
    Ja, du vielleicht, dachte Barbara gehässig. Laut sagte sie: »Ich arbeite bei der Kripo.«
    »Och, von dem Verein hatten wir schon viele!«, sagte Robert. »Polizei, meine ich.«
    »Und Zoll«, warf Manfred ein.
    »Einmal war auch ein Staatsanwalt hier«, ergänzte Jonah. Barbara betrachtete ihn versonnen und dachte, wenn er ein deutscher Schauspieler wäre, würde man ihn in Hollywood einen SS-Mann spielen lassen. Aber das machten sie in Hollywood ja mit fast allen deutschen Schauspielern. Jonah trug einen Ehering.
    »Gesoffen wird überall«, verbreitete Sabine Alkohol eine nicht ganz neue Weisheit.
    »Lassen wir jetzt bitte Barbara zu Wort kommen«, rief Robert zur Ordnung. »Übrigens gehört es bei uns zu den Gepflogenheiten, jeden ausreden zu lassen«, fügte er hinzu.
    Und Barbara dachte: Auch das noch!
    Uplegger fühlte sich mit dem Grappa im Magen auch nicht besser und beschloss, ein Abendbrot für drei zu zaubern, musste dann aber feststellen, dass die beiden Knaben den Kühlschrank fast leergefressen hatten; es war erstaunlich, wie viel Nahrung in pubertierende Jungen hineinging. Einmal mehr lief es also darauf hinaus, dass er den Pizza-Notruf Blizzeria anrufen würde, und im Grunde wusste er auch schon, welche Pizza jeder von ihnen nahm. Um ganz sicher zu gehen, dass sich die Geschmäcker nicht gewandelt hatten, betrat er den Flur. Er kickte Tims Turnschuhe aus dem Weg und näherte sich der Tür zu Marvins Zimmer. Kurz bevor er sie erreichte, registrierte er die Veränderung.
    An der Tür befand sich seit langem schon ein Zettel im Querformat, auf dem bisher zu lesen gewesen war: Eintritt nicht nur für Schneider verboten! Nun hatte Marvin ein neues Blatt angebracht, das mit einem Dreizeiler bedruckt war:
    Und wenn zu dir von Sohnespflicht,
    mein Sohn, dein alter Vater spricht:
    Gehorch ihm nicht, gehorch ihm nicht.
    Das war ein starkes Stück, quasi eine Aufforderung zum zivilen Ungehorsam gegen die väterliche Autorität. Viel war von dieser Autorität zwar nicht mehr vorhanden, aber es war Uplegger sehr daran gelegen, wenigstens die Ruinen zu konservieren.
    Marvin und Tim saßen am PC und spielten jenes Strategiespiel, mit dem sie Stunden verbringen konnten und bei dem auch geschossen wurde. Sie waren
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