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Korrupt (German Edition)

Korrupt (German Edition)

Titel: Korrupt (German Edition)
Autoren: Robert Kviby
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Männer und Frauen
    1
    «Ich sehe, hier wird noch fleißig gearbeitet.»
    Annie Lander blickte zu Chefredakteur Jan Wikholm auf, der im Mantel vor ihr stand. Es war Freitagabend, kurz vor sieben, und die Redaktion der Polizeireporter gähnend leer. Annie lächelte. Er drückte seine Zigarette in dem überfüllten Aschenbecher auf dem Nachbarschreibtisch aus und lehnte sich an die Tischkante.
    «Wie wär’s? Noch ein paar Bier mit mir und den Jungs in der Vasagatan, bevor du nach Hause fährst? So eine hübsche Begleitung würde sie beeindrucken, glaub mir.» Er sah sie an.
    «Kann ich mir denken», erwiderte sie und zog die Brauen hoch. «Ich fühle mich geschmeichelt, aber ich treffe mich mit Max. Wir sind zum Essen eingeladen. Bin eh schon spät dran.»
    «Deine oder seine Freunde?»
    «Seine.»
    «Okay?»
    «Vollkommen okay.»
    Jan Wikholm schob die Unterlippe vor. «Was machst du dann noch hier?»
    «Ich muss noch eine letzte Sache zu Ende lesen», antwortete sie und tippte mit dem Zeigefinger auf einen Stapel Ausdrucke. «Sonst habe ich das ganze Wochenende keine Ruhe.»
    «Geht es immer noch um diese Mädchen?»
    «Eher um diese Männer, würde ich sagen.»
    Er nickte und zündete sich wieder eine Zigarette an. Er inhalierte und blies den Rauch zur Seite. «Lebt dein Freund immer noch vom Gitarrespielen?»
    «Mein Mann. Ja, warum?»
    «Ich habe unlängst eine Redensart gehört, oder vielleicht sollte man eher sagen, einen Witz: Was ist der Unterschied zwischen einer Pizza und einem Gitarristen?»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Von einer Pizza wird die ganze Familie satt.» Er legte den Kopf schief.
    «Jetzt sei nicht so spießig. Er macht das, was er liebt, und zwar virtuos. Und dafür liebe ich ihn. Du bist ja nur eifersüchtig.»
    «Vermutlich», antwortete er und blies den Rauch Richtung Decke. «Um die Wahrheit zu sagen, sind wir alle eifersüchtig. Obwohl viele sich richtig Mühe geben, das zu verbergen. Tatsache ist, dass jeder Mann in der Redaktion davon träumt, dass du ihn heiratest.»
    Sie schob ihren Stuhl zurück. «So ist das immer mit euch Männern. Ihr reduziert jede Frau auf eine Madonna, die euch aus eurer eingebildeten Hölle retten soll. Wie eine verdammte Florence Nightingale.»
    Wikholm klemmte die Zigarette zwischen die Lippen, zuckte mit den Achseln und knöpfte sich den Mantel zu. «Don’t shoot the messenger, Annie.»
    «Ich habe eine Neuigkeit, und es steht dir frei, die anderen Kollegen bei passender Gelegenheit daran teilhaben zu lassen.»
    Wikholm verzog das Gesicht. «Ich befürchte, das wird jetzt wehtun, aber spuck’s aus. Ich bin ohnehin in einer Stunde betrunken.» Er lachte.
    «Die Neuigkeit ist, dass ich einen Mann habe, mit dem ich alt werden will, und es gibt nichts und niemanden, der auch nur einen Einzigen von euch retten könnte, denn ihr seid einfach nicht zu retten.»
    Er sann über ihre Worte nach und nickte. «Ich glaube, dass meine Frau vor ein paar Jahren so was Ähnliches gesagt hat.» Er drehte sich um und ging auf die Tür zu. «Viel Spaß bei dem Essen, Lander. Du bist hart, aber gerecht.» Er lachte und winkte zum Abschied.
    «Lass es nicht zu spät werden», rief sie ihm belustigt hinterher.
    Sie wandte sich wieder ihren Unterlagen zu und las noch einmal die Informationen über das Mädchen durch, die sie von der Polizei erhalten hatte. Marianne war die letzte von mehreren jungen Frauen, die tot aufgefunden worden waren. Sie war siebzehn Jahre alt gewesen. Ihr Fall wies zu viele Gemeinsamkeiten mit denen der anderen Mädchen auf, als dass man einen Zusammenhang hätte ausschließen können. Aber Annie war es nicht gelungen, eine Verbindung zu finden, und auch an diesem Abend würde es keinen Durchbruch geben.
    Sie warf einen Blick auf die Uhr. Spät dran. Sie war mit Max im Tennstopet an der Dalagatan, Ecke Odengatan verabredet. Sie überlegte anzurufen, damit sie sich stattdessen gleich bei Patrik und Lisa trafen, entschied sich dagegen und zog ihren Mantel an. Die Arbeit konnte warten. Max wartete sicher schon seit einer Stunde. Vier Bier, dachte sie. Vielleicht auch fünf. Was sollte sie machen, schließlich hatte sie sich verspätet.
     
    Annie und Max hatten sich im April 1987 kennengelernt. Sie hatten sich ins Gras gelegt, geschmust und keine Angst vor dunklen Wolken gehabt. Sie genossen den Sommer und lernten sich näher kennen, ohne aus ihrem Kokon blinder Verliebtheit zu fallen. Ein Jahr später zogen sie zusammen und heirateten. Ein weiteres Jahr
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