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Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady

Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady

Titel: Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
Autoren: Peter O'Donnell
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antwortete nicht. Einen Augenblick wandte sie den Kopf und sah dort, wo die Barkasse lag, Flammen hochschießen. Willie lag, an der Seite der Vertiefung gestützt, etwas unterhalb von Modesty und beobachtete das Feuer mit dem Ausdruck stummen Zorns in seinem verschmutzten Gesicht.
    «Na, das ist ja ein verfluchter Schlag», sagte er heiser.
    «Der Kahn ist von einer Leuchtrakete in Brand gesetzt worden.»
    Modesty blickte wieder nach vorn, den Kopf zwischen zwei vorragenden Felsen, die Augen knapp über dem Rand des Beckens. Die Magnum lag in ihrer Hand, aber es waren nur noch drei Schuß übrig.
    Der erste Ansturm kam; vier Männer rannten schnell vor und feuerten im Laufen. Modesty legte zwei um, die beiden anderen schwenkten auf die Seite und sprangen in Deckung. Im Hintergrund konnte sie Borgs Stimme Befehle brüllen hören.
    «Es wird sie einiges kosten, Willie. Sie haben bis auf zwanzig Meter heran überhaupt keine Deckung.»
    «Du hast auf diese Entfernung zwei umgelegt?» sagte er. Sein Atem hatte sich nunmehr beruhigt, und in seiner Stimme lag sachliches Interesse. «Ja. Diese Magnum ist eine wahre Pracht.» Sie hielt den Kopf völlig ruhig, die Augen suchten die Strecke nach einem möglichen, sich bewegenden Schatten ab.
    In der Ferne sah sie den Strahl einer Taschenlampe gleichmäßig auf und ab schwanken, als sich ein Mann in westlicher Richtung fortbewegte. Während sie es beobachtete, wurde das Licht immer kleiner.
    «Ich glaube, Borg schickt einen Mann um Anweisungen von Gabriel zurück», sagte sie leise.
    «Es wird sie jedenfalls teuer zu stehen kommen.»
    Willie ließ sich vorsichtig in eine bequeme Stellung gleiten und zog sein Messer heraus. «Besonders jetzt, da sie auf alle Fälle die Barkasse verloren haben. Ich vermute, Borg will auf das erste Tageslicht warten.»
    «Das bekommt er, sowie sein Mann von Gabriel zurückkommt», sagte sie. «Es ist Zeit, daß wir die Aderpresse lockern, Willie. Bringst du es allein zuwege?»
    «Klar.» Während er langsam daran arbeitete, überprüfte er im Geist systematisch die Lage. Es sah danach aus, daß dies die letzte Unternehmung für Modesty und ihn werden würde. Der Gedanke verstörte ihn nicht allzusehr, obwohl er froh war, daß es ein schnelles Ende sein würde, falls es kam. Modesty würde es so richten, daß Borgs Leute beim letzten Ansturm aus allen Rohren würden feuern müssen.
    Willie Garvins Ansicht war seit langem, daß man in dieser verweichlichten, sicheren Zeit das Leben für viel zu heilig halte und die große Wichtigkeit, die man ihm zuschrieb, nicht dem Naturgesetz entspreche. In der natürlichen Ordnung der Dinge war das Leben immer wenig wert gewesen. Man kam und ging, und es war nicht sehr wichtig. Nur Grausamkeit verstörte ihn.
    Er ließ das Blut in seinem Bein zwei Minuten lang kreisen, indem er die Aderpresse zunächst etwas lockerte und dann wieder straffzog.
    «Prinzessin», sagte er.
    «Ja?»
    «Ich glaube, es ist Zeit, daß du abhaust.»
    «Abhauen – wohin, Willie?» Er hörte die Spur sanften Spotts in ihrer Stimme.
    «Ins Meer. Du brauchst nur ungefähr vierzig Meter zu robben. Du könntest die Küste entlangschwimmen und irgendwo eine Stelle finden, wo du dich ruhig verhältst. Sie werden gut einen Tag brauchen, um die Insel zu durchkämmen, und inzwischen müßte der gute Tarrant eigentlich mit einer Polizeitruppe dahergebraust kommen.»
    «Danke, Willie. Aber ich glaube nicht, daß wir das so machen.»
    «Sieh mal», beharrte er, «auf die Dauer gesehen tut mir dein Hierbleiben nichts Gutes. Und wir waren ja nie für das Zeugs, dieses Untergehen Schulter an Schulter. Es ist sinnlos. Wäre die Lage umgekehrt, dann würdest du – würdest du mich vor lauter Staub nicht mehr sehen, so flott gäbe ich Fersengeld», schloß er etwas lahm.
    Sie wandte kurz den Kopf, um zu ihm hinunterzuschauen, und er sah die Spur eines Lächelns auf ihrem verschmierten Gesicht. «Ich weiß, Willie, ich weiß. Aber trotzdem, wir werden das hier auf die Tour spielen, wer viel wagt, gewinnt viel …»
    Er verstand, was sie meinte. Es war etwas, das sie aus Erfahrung gelernt und in Mußestunden immer wieder diskutiert hatten; daß man während einer Unternehmung nie wissen könne, was plötzlich daherkommen kann. Es konnte alles mögliche geschehen, und es war immer der Mühe wert, weiterzukämpfen und darauf zu warten. Große Schlachten waren schon verloren worden, weil der Wille bei einem der Gegner plötzlich und unerklärlich nachgelassen
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