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Titel: Mobile
Autoren: Andreas Richter
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er die Tür wieder zuzog. Vermutlich würde er diesen Raum nie mals wieder betreten.
    Mit seinen knapp ein Meter neunzig war Joachim groß genug, um die Luke zum Dachboden ohne den dafür vorgesehenen Haken aufzuziehen. Er zog die Treppe aus und stieg auf den knarrenden Stufen nach oben. Muffige und kühle Luft schlug ihm entgegen, der Dachboden war nicht gedämmt. Oben war es eng und dunkel, nur durch ein verschmutztes kleines Fenster fiel etwas Tageslicht. Joachim erinnerte sich, wo der Lichtschalter war, und drückte ihn. Die nackte, vom Balken herabhängende Glühbirne flackerte schwach. Überall hingen Spinnweben, hier und da waren alte, nichtaktive Wespennester. Joachim entdeckte die alte Stehlampe mit dem grün-weißen Lampenschirm, die einst im Wohnzimmer neben dem Fernseher stand. Dahinter, halb verborgen, der gedrechselte Hut- und Kleiderständer aus braunem Bugholz, der die halbe Diele eingenommen hatte und bereits Joachims Großeltern gehört hatte. In der Ecke standen zwei alte Lautsprecher, darauf ein Plattenspieler. Joachim erinnerte sich dunkel daran, dass er einst im Wohnzimmer stand, aber kaum zum Einsatz gekommen war, seine Eltern hatten sich nicht viel aus Musik gemacht. Darüber hinaus war der Dachboden leer - bis auf eine leicht verbeulte Blechkiste, auf der ein abgestoßener Koffer lag.
    Joachim ging hin und pustete die Staubschicht vom Koffer, dann klappte er den Deckel auf. Kleine Päckchen aus Briefen, Postkarten und Fotos hatten seine Eltern hier über Jahrzehnte sorgfältig aufbewahrt. Nich ts, was Joachim weiter interessierte. Er klappte den Koffer wieder zu und hob ihn von der Blechkiste herunter, stellte ihn auf den Boden.
    Auf dem Deckel der Blechkiste klebte eine im Laufe der Jahre brüchig gewordene Klarsichthülle, darin steckte ein karierter DIN-A4-Bogen. In schwarzer Filzfarbe und mit der geschwungenen Handschrift seiner Mutter stand sein Vorname auf dem Papier geschrieben. Joachim wunderte sich. Er hatte die Kiste nie zuvor gesehen. Einen Augenblick lang hockte er unschlüssig davor, dann schob er den kleinen Sicherheitsriegel zur Seite und klappte sie auf. Er war gespannt.
    Die Kiste war etwa zur Hälfte gefüllt. Mit Schätzen seiner Kindheit. Ganz obenauf lag ein Buch, eine Art Fotoalbum, jedoch deutlich kleiner. Joachim nahm es heraus und klappte es auf. Poesiealbum von Joachim Netzner. Wer sich trägt in dieses Büchlein ein, mag schreiben lieb und fein!, hatte seine Mutter irgendwann mal in ihrer ordentlichsten Handschrift auf die erste Seite geschrieben. Joachim musste schmunzeln. Er las einige der Gedichte und Reime, die auf den ersten Seiten standen, einige in wackeligen Kinderschriften, andere offensichtlich von Erwachsenen geschrieben. Joachim rechnete die Jahreszahl zurück, die unter den längst vergessenen Namen standen. Grundschule, zweite Klasse. Er legte das Poesiealbum beiseite, um es später mit nach Hause zu nehmen. Dann holte er zwei Plastiktüten hervor, die mit Kleidungsstücken gefüllt waren, die er als Kind getragen hatte. Weshalb seine Mutter sie aufbewahrt hatte, war ihm ein Rätsel. Als Nächstes entdeckte er seinen ersten Sony-Walkman, auf den er so lange gespart hatte. Joachim nickte in Erinnerungen vor sich hin und wog den Walkman in der Hand. Es war kaum zu glauben, dass es gerade mal dreiundzwanzig oder fünfundzwanzig Jahre her war, dass er ihn von Stolz beseelt bei Karstadt in der Innenstadt gekauft hatte, und damals war dieses kassettenabspielende Gerät ein kleines technisches Wunderwerk gewesen, zudem eine Art Statussymbol unter den Jugendlichen. Joachim legte ihn in die Kiste zurück, dann zog er einen Gefrierbeutel heraus. Darin befanden sich fünf bespielte Leerkassetten. Hits of the year hatte er einst auf ein Kassettenetikett geschrieben, welches Jahr auch immer es gewesen war. Best of Journey stand auf einer anderen Kassette. Frankie Goes To Hollywood - Hits . Foreigner: Agent Provocateur . Best of ZZ Top . Joachim schüttelte amüsiert den Kopf und legte den Beutel zurück.
    Sein Briefmarkenalbum. Auch daran erinnerte er sich. Er hatte sich eine kurze Zeit lang als Sammler versucht. Wie alt war er damals gewesen? Er überlegte, doch er wusste es nicht mehr. Nun kam ein schmales Päckchen zum Vorschein. Eine bunte Plastiktüte, die mit dünnem Paketband und zusätzlichem Klebeband fest verschnürt worden war. Darauf klebte ein beschriftetes Etikett für Einmachgläser. Finger weg!! Top-Geheim!! Joachim erkannte seine eigene
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