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Titel: Mobile
Autoren: Andreas Richter
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mit Bad, das ist ... - Mann, überleg' doch mal, du hast deine Leibeigene rund um die Uhr bei dir, du brauchst dich um nichts zu kümmern, nicht mal um ein neues Bier abends vor der Glotze. Was für ein großartiges Leben.«
    »Alles nur Schein, Partner. Hinter jeder Hauswand g ibt es dunkle Seiten und finstere Geheimnisse. Auch bei einem von der ganzen Stadt verehrten Baseball-Star, das siehst du ja.« Er schnippte mit den Fingern und sagte: »Weg, der Junge, einfach weg. Als ob sich jemand plötzlich in Luft auflösen könnte … - so ein verdammter Schwachsinn, für wie dämlich hält er uns eigentlich?«
    Der junge Cop sagte unsicher: »Aber vielleicht ist es ja tatsächlich so, wie O'Stout sagt. Was, wenn der Kleine sich nicht versteckt hat, sondern wirklich verschwunden ist?«
    Sein Partner warf ihm einen herablassenden Blick zu. »Ich sage dir jetzt mal was, mein Junge: Ich habe mein ganzes Leben in dieser Kloake von Stadt verbracht, und während der bald mehr als vierzig Jahre als Cop habe ich meine Nase tiefer in Chicagos Scheiße gesteckt als die meisten anderen Menschen. Ich weiß genau, wann eine Sache faul ist und wann nicht, und ich sage dir, dass O'Stout seinem Jungen erst das Lebenslicht ausgeknipst und ihn anschließend weggeschafft hat.«
    »Aber w eshalb hätte er das tun sollen?«
    »Was weiß ich denn? Aber er hat es getan, darauf wette ich meine Eier.«
    »Und seine Frau? Meinst du, die hängt da mit drin?«
    »Glaub' ich nicht. Sie hatte dieses Gesicht, das Mütter haben, die in echter Angst um ihre Kinder sind. Diese Art von Angst kann man nicht vortäuschen, zumindest nicht einem alten Hasen wie mir. Vielleicht ist die dumme Alte noch nicht mal auf die Idee gekommen, dass ihr Mann irgendeine Sauerei mit dem Kleinen angestellt haben könnte.«
    »Sie macht keinen dummen Eindruck, im Gegenteil. Und sie sieht ziemlich gut aus, selbst mit verheultem Gesicht.«
    »Sie ist die Frau eines Baseball-Stars, selbstv erständlich sieht sie gut aus. Was glaubst du denn, weshalb jemand wie O'Stout ein solches Mädchen heiratet? Weil sie Shakespeare liest? Nein, weil sie hübsch ist und im Bett 'ne Menge drauf hat. Mein Junge, du musst über Menschen und ihre Beziehungsrollen noch eine ganze Menge lernen. So, und nun lass uns endlich von hier verschwinden, bevor ich vor Ekel kotzen muss.«
    Der junge Cop startete den Motor und fuhr los. Er steuerte den Wagen die lange Auffahrt hinunter, durch das offene Tor hindu rch, auf die schmale Straße.
    »Dieser verdammte irischstämmige Mistkerl«, murmelte der andere. »Gott, O'Stout ist ein Wahnsinns-Pitcher, wahrscheinlich der Beste in der gesamten Central Division. Kannst du dir vorstellen, dass ich noch vorhin kurz davor war, mir ein Autogramm von ihm zu holen? Ich hätte ihn beinahe gefragt, ob er einen Ball übrig hat und ihn mir signiert, so richtig mit Widmung. Für meinen Freund Matt! , verstehst du?«
    »Klar.«
    »Und nun diese Scheiße. Ein Baseball-Star der Sox. Verdammt, das ist nicht zu fassen! Die Sox sind wie ein Teil von mir, das sind alles so etwas wie Helden für mich. Wenn du feststellst, dass deine Helden nichts mehr taugen, geht etwas in dir kaputt, ganz tief in deinem Inneren.«
    Der junge Cop entgegnete nichts und steuerte den Wagen auf den John-F.-Kennedy-Expressway in Richtung Chicagoer Innenstadt.
    »Mich kotzt das an, verdammt«, murmelte der andere und schlug leicht gegen das Seitenfenster. »Ich sag' dir was, mein Junge: Wenn selbst deine Helden im Dreck versinken, ist die Welt wirklich zum beschissenen Müllhaufen verkommen.«

Dienstag, 12. März
     
    J oachim Netzners Mutter war neunundsiebzig Jahre alt - ein Alter, in dem man jederzeit damit rechnen muss, dass es zu Ende geht. Bis zuletzt war sie rüstig gewesen und hatte viel unternommen. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass ihr Herz plötzlich zu schlagen aufhören würde. Doch das hatte es, als sie in ihrem kleinen Garten Primeln und Stiefmütterchen für den sich ankündigenden Frühling setzte, und sie war umgefallen wie vom Blitz getroffen.
    Seitdem ihr Mann vor neun Jahren einem Krebsleiden erlegen war, hatte sie allein in dem kleinen Reihenhaus am Westrand von Hannover gewohnt, in dem Joachim aufgewachsen war. Joachim war ihr einziges Kind gewesen. Sie hatte die Hoffnung auf ein Kind fast sch on aufgegeben, als sie mit Vierzig doch noch schwanger wurde. Ihr Frauenarzt hatte es als Risikoschwangerschaft bewertet, doch alles war problemlos verlaufen. Als Jugendlicher waren
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