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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen
Autoren: John Saul
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Park? Ich hasse diesen Zoo. Die Käfige sind
schrecklich, und die Tiere sehen aus, als ob sie sich wohler
fühlen würden, wenn sie tot wären!« Zu spät. Laurie konnte
ihre Worte nicht mehr rückgängig machen und sah den
Schmerz in den Augen ihrer Mutter aufblitzen. »Es … es tut
mir Leid –«, begann sie, doch Caroline schüttelte rasch den
Kopf.
»Schon gut«, wiegelte sie ab. »Du hast ja nicht mal so
Unrecht. Aber wenn wir alle in die Bronx fahren …« Sie hielt
inne, während sie im Stillen zusammenrechnete, wie viel der
Ausflug kosten würde: einschließlich der U-Bahnfahrkarten an
die dreißig Dollar, selbst wenn sie auf Snacks und Cokes
verzichten würden.
Dreißig Dollar, die vor einem Jahr noch eine Kleinigkeit
waren.
Dreißig Dollar, die sie heute schlicht und einfach nicht hatte.
Nicht angesichts der unbezahlten Miete und der bis ans
Limit ausgeschöpften Kreditkarten.
Laurie ahnte, worüber ihre Mutter nachdachte. »Ich habe
Geld«, sagte sie. »Auf meinem Babysitter-Konto sind mehr als
hundert Dollar. Warum kann ich uns nicht einladen?«
»Weil du dieses Geld fürs College brauchen wirst«,
erwiderte Caroline. »Und nur weil ich momentan ein bisschen
knapp bei Kasse bin, werden wir dein Konto noch lange nicht
plündern.«
»Ich hab noch ein bisschen Geld in meinem Sparschwein«,
bot Ryan an, dessen finstere Miene einem besorgten Stirnrunzeln Platz gemacht hatte. »Das könnten wir doch nehmen.«
Das Klingeln des Telefons entband Caroline von der
schwierigen Aufgabe, Ryans Vorschlag abzulehnen, ohne ihn
dabei in seiner Großzügigkeit zu verletzen, doch sobald sie
Claire Robinsons Stimme hörte, war ihr klar, dass diese den
Samstagsplänen, die noch gar nicht richtig ausgehandelt waren,
ohnehin einen Strich durch die Rechnung machen würde. Ihre
Chefin benutzte jenen vergnügten Tonfall, den Caroline und
die beiden anderen Angestellten, die für Antiques By Claire arbeiteten, als Vorreiter für Worte kennen gelernt hatten, die
nicht annähernd so vergnüglich waren wie die Stimme, die sie
aussprach.
»Caroline, meine Liebe?«, trällerte es durch den Hörer.
Caroline konnte sie in diesem Augenblick hinter ihrem LouisXIV-Schreibtisch sitzen sehen, eine Zigarette in der Hand und
den Telefonhörer zwischen linke Schulter und Ohr geklemmt,
wie sie einen Auktionskatalog durchblätterte, während sie mit
ihr sprach. »Ich muss Sie um einen ungeheuren Gefallen bitten.
Und ich weiß, dass ich mich dabei auf ganz unverzeihliche
Weise aufdränge, aber ich weiß einfach nicht, an wen ich mich
sonst wenden könnte!«
Im Stillen übersetzte Caroline Claires Einleitung: Kevin und
Elise waren entweder nicht ans Telefon gegangen, oder hatten
sich von Claires inständigem Flehen nicht unterbuttern lassen.
Kevin hatte Mark, seinen Partner, und Elise bekam Unterhalt
von ihrem Ex-Mann. »Was gibt es denn, Claire?«
»Ich weiß, dass Sie die Samstage immer mit Ihren Kindern
verbringen, und ich weiß, dass ich kein Recht habe, mit dieser
unverschämten Bitte an Sie heranzutreten, aber bestünde
vielleicht die klitzekleine Möglichkeit, dass Sie sich für ein
paar Stündchen in den Laden setzen? Ich hoffe, dass es bei
zwei bleibt, und kann mir nicht vorstellen, dass es mehr als vier
oder fünf werden.«
»Ich habe Ryan versprochen, mit ihm vormittags in den Park
zu gehen, und anschließend –«
»Das passt ja prima! Heute Nachmittag kommt bei Sotheby’s
ein Queen-Anne-Tischchen unter den Hammer, das ich mir
unter keinen Umständen wegschnappen lassen darf. Es passt
genau zu dem in Estelle Hollinans Foyer, und Estelle wird uns
alle umbringen, wenn ich es nicht für sie ersteigere. Also, wenn
Sie bis um eins hier sind, verschwinde ich für ein Stündchen,
höchstens zwei.«
Caroline sah die Enttäuschung in den Augen ihrer Kinder,
die zu Recht vermuteten, dass sie nirgendwo hingehen würden
– weder in den Park noch in den Zoo – und unternahm einen
letzten Versuch, sich aus Claires Fängen zu befreien. »Können
Sie nicht Kevin oder Elise anrufen? Die Kinder und ich –«
Urplötzlich fiel die Maske der aufgesetzten Fröhlichkeit von
Claire ab. »Nein, Caroline, kann ich nicht. Kevin und Mark
sind nach Provincetown gefahren, und Elise hat Verpflichtungen.«
Als ob ich keine habe!, schnaubte Caroline innerlich.
»Und offen gesagt, dachte ich, dass Sie die Gelegenheit
begrüßen würden, ein paar Dollar zu verdienen. Ihre Umsätze
sind nicht so toll, wie sie
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