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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen
Autoren: John Saul
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der Ermittlungen in
diesem Fall – Frank Oberholzer, ein großer, vierschrötiger
Sergeant mit traurigen Augen – hatte erklärt, dass man den
Mörder wahrscheinlich auch nie fassen würde. »Die Sache ist
die, dass es nicht den Anschein hat, als hätte der Mörder es
speziell auf Ihren Gatten abgesehen. Er war schlicht und
einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Deshalb werden wir
auch nicht sehr viel mehr in Erfahrung bringen, außer wir
bekommen noch mehr solcher Fälle auf den Tisch. Gleicher
Modus operandi, gleiche Gegend, gleiche Tatzeit. Dann haben
wir ein Muster, mit dem wir arbeiten können. Wenn es jedoch
nur ein Junkie auf der Suche nach ein paar Dollar war, dann
erschließt sich uns kein Muster. Er wird irgendwo anders
wieder zuschlagen, aber nicht unbedingt einen Jogger
überfallen und auch nicht unbedingt im Central Park. Teufel
auch, womöglich sitzt er bereits wegen einer ganz anderen
Sache im Knast, und so lange er nicht redet, werden wir nie auf
ihn stoßen.«
»Er könnte aber genau so gut noch im Park herumlaufen und
nach seinem nächsten Opfer Ausschau halten«, hatte Caroline
dagegengehalten. Zumindest hatte der Detective so viel
Anstand besessen, ihr die Wahrheit zu sagen.
»Das ist leider auch möglich. Aber wenn dem so ist, und er
das Gleiche noch einmal tut, dann haben wir eine Chance. Bei
ihrem Gatten gab es keine Zeugen. Beim nächsten Mal hat er
vielleicht nicht so viel Glück, oder aber sein Opfer überlebt.«
Was bedeutete, dass er tatsächlich hier sein könnte, genau
jetzt.
Und sie beobachtete?
Könnte er wissen, wer sie war?
Natürlich nicht! Sie benahm sich lächerlich. Der Mann hatte
Brad ja nicht einmal gekannt – weder seinen Namen noch sonst
etwas. Aber nein, das stimmte ja gar nicht – er hatte schließlich
Brads Geldbörse gestohlen und könnte eine Menge über ihn
wissen, wenn er sich die Zeit genommen hatte, die Börse
durchzusehen, statt nur das Bargeld und die Kreditkarten
einzustecken. In Brads Geldbörse befand sich auch sein
Führerschein, also könnte er ihre Adresse haben. Und Fotos.
Fotos von ihr und von den Kindern. Die Fotos der Kinder
waren zum Glück schon alt gewesen: Ryan war darauf knapp
vier und Laurie sechs oder sieben. Laurie würde man noch
wieder erkennen, und sie selbst auch.
Noch einmal musterte sie die Leute, die im Park spazieren
gingen, und spürte den beinahe unwiderstehlichen Drang, ihre
Kinder an die Hand zu nehmen und sie in die Sicherheit ihrer
Wohnung zurückzubringen.
Verfolgungswahn!
Sie war auf dem besten Weg, genauso besessen von dieser
Wahnvorstellung zu werden wie Brad! Dem musste sie Einhalt
gebieten, ehe sie zu einer dieser überängstlichen Mütter wurde,
die ihre Kinder nie aus den Augen ließen, aus Angst, es könnte
ihnen etwas zustoßen. Caroline wusste, dass ihre Angst
irrational war; sie hatte die Statistiken gelesen, wonach die
Kinder heute auf den Straßen ebenso sicher waren wie früher.
Entgegen der Hysterie, die die Medien verbreiteten, lauerten
nicht überall Ungeheuer, die nur darauf warteten, unschuldige
Kinder zu quälen. Diese Dinge passierten, sicherlich, aber
längst nicht so oft, wie Caroline einst geglaubt hatte. Andererseits war sie jedoch nicht bereit, Ryan allein in den Park gehen
zu lassen. Noch nicht. Genau genommen war sie auch noch
nicht bereit, selbst in den Park zu gehen. Vor allem nicht hier
an dieser Stelle. »Lasst uns noch ein paar Straßen weitergehen,
ja?«, wiederholte sie.
Sie sah Laurie und Ryan sich so weit vorbeugen, dass sie
sich ansehen konnten, und war überzeugt, dass die beiden vor
Empörung darüber, dass sie sie behandelte wie Vierjährige, die
Augen verdrehten. Sie zwang sich, ihren Griff zu lockern, ehe
sie mit ihnen die 77. Straße überquerte und sich nach Süden
wandte.
Dann, an der Ecke 70. Straße, war es Ryan, der plötzlich
stehen blieb und ihre Hand umklammerte, worauf Caroline ihn
verdutzt ansah.
»Können wir hinüber auf die andere Straßenseite gehen?«,
fragte er.
Unwillkürlich schaute sie sich um, überlegte, was ihn hatte
innehalten lassen. Hatte er etwas gesehen? Oder jemanden ?
Oder hatte ihn jemand angesehen?
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, doch während sie die Leute
vor ihnen auf dem Bürgersteig musterte – es waren nicht mehr
als ein halbes Dutzend –, konnte sie nichts Auffälliges
entdecken. Es waren ganz gewöhnliche Menschen, die ihren
Geschäften nachgingen. Dann hörte sie Laurie
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