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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen
Autoren: John Saul
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hat.«
»Wen kümmert’s? Außerdem hast du Recht – bei Cipriani
rangieren wir beide unter Sozialfall. Na, wie sieht’s aus? Du
klingst so, als könntest du einen guten Lunch vertragen, und
mit ›gut‹ meine ich ›pikfein und teuer‹. Komm, pack deine
Probleme weg und lass für ein paar Stunden mal eine Fünf
gerade sein.«
Caroline zögerte, aber lange konnte sie der Vorstellung, mit
ihren drei besten Freundinnen in diesem luxuriösen Restaurant
Mittag zu essen, nicht widerstehen. »Ich komme«, versprach
sie. »He, ich gehe mit den Kindern nachher in den Park.
Kommst du mit?«
»Ach, ich wünschte, ich könnte«, seufzte Andrea. »Aber ich
habe hier drei Kids, die Pflegefamilien brauchen, und vier
Familien, die ich auf Herz und Nieren checken muss, ehe ich
überhaupt daran denken kann, die Kids zu vermitteln.«
»Sag mal, warum werde ich den Eindruck nicht los, dass die
Stadt dich nicht für deine Wochenendschichten bezahlt?«
Andrea kicherte leise. »Weil du ein einigermaßen
intelligentes menschliches Wesen bist. Aber die Kids brauchen
ein Zuhause, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und wenn ich
mich nicht bald auf die Socken mache, bin ich zum
Abendessen noch nicht wieder daheim. Also, bis Dienstag.«
Als Caroline aufgelegt hatte und sich zu Laurie und Ryan
umdrehte, fühlte sie sich ein wenig besser, aufgeheitert von der
Aussicht auf ein gemeinsames Mittagessen mit ihren alten
Freundinnen. Wenn sie danach nur nicht mit dem bitteren
Nachgeschmack nach Hause käme, wie das Leben aussehen
würde, wenn Brad an jenem Abend nicht in den Park joggen
gegangen wäre.

2. Kapitel
    »Kommt, wir laufen noch ein paar Straßen weiter«, schlug
Caroline munter vor. Sie standen an der Ecke 77. Straße und
Central Park West, und obwohl die Fußgängerampel auf Grün
geschaltet hatte, und der Nord-Süd-Verkehr zum Stillstand
gekommen war, blieb Caroline an der Bordkante stehen und
hielt ihre beiden Kinder so fest an der Hand, als wären sie
Dreijährige und nicht bald Halbwüchsige. Während sie über
die Straße hinweg auf die Stelle starrte, wo Brad in der
Mordnacht den Park betreten hatte, schalt sie sich im Stillen
eine Närrin, denn dort war wirklich nichts Bedrohliches zu
erkennen. Jeder, der jemals in diesem Park überfallen worden
war, musste ihn zwangsläufig irgendwo betreten haben. Was
hatte sie vor, wollte sie den Park für den Rest ihres Lebens
meiden? Laurie, Ryan und sich selbst an die Wohnung fesseln,
weil sie Angst hatte, nach draußen zu gehen?
    »Du musst mich nicht begleiten, Mom«, sagte Ryan, der
versuchte, sich aus ihrem Handgriff zu befreien. »Ich kenne
den Weg. Warum geht ihr beiden nicht gleich in den Zoo?«
    Weil ich nicht will, dass dir das Gleiche zustößt wie deinem
Vater, dachte Caroline, schaffte es aber, dass ihre Stimme
nichts von diesem Gedanken verriet. Stattdessen lächelte sie
fröhlich. Zu fröhlich? »Schämst du dich etwa, mit deiner alten
Mutter gesehen zu werden?«, fragte sie ihn und erkannte an der
Röte, die ihm in die Wangen schoss, dass sie den Nagel auf den
Kopf getroffen hatte.
    »Die anderen Jungs werden alle mit ihrem Dad da sein«,
platzte er heraus und wurde noch eine Spur röter. In dem
vergeblichen Versuch, den Tränenschleier zu vertuschen,
wischte er sich mit dem Ärmel über die Augen.
    »He, ist schon okay.« Caroline beugte sich zu ihm. Ryan
wirkte plötzlich viel jünger als seine zehn Jahre, und der
Kummer in seinen Augen traf sie ins Herz. »Ich weiß, dass es
schwer ist«, sagte sie und widerstand dem Bedürfnis, ihn in den
Arm zu nehmen. »Aber wir schaffen das. Das verspreche ich
dir.«
    Sein Unterkiefer zitterte, doch dann biss er die Zähne
zusammen und drehte sich ein wenig von ihr weg. »Mir geht es
gut«, murmelte er.
    Da es so offensichtlich war, dass es ihm keineswegs gut
ging, spielte Caroline einen Moment – nur einen winzigen
Moment – mit dem Gedanken, ihn allein zu seinen Freunden
gehen zu lassen. Immerhin trafen sie sich auf einem der
Spielplätze am südlichen Ende des Parks, nicht auf einem der
Plätze weiter oben.
    Genau entgegengesetzt von der Richtung, in die Brad an
jenem Abend gelaufen war.
Doch dann suchte ihr Blick den Park ab, der sich an diesem
herrlichen Frühlingsmorgen bereits mit Menschen füllte. War
es möglich, dass der Mann, der Brad ermordet hatte, auch
darunter war? Die Polizei hatte ihn bisher nicht gefasst, nicht
die geringste Spur gehabt. Und der Leiter
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