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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen
Autoren: John Saul
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zusammenhielt. Sie wehrte sich, hielt die Decke fest, doch ihre Muskeln
versagten, und ihre Hände ließen los.
Die Bettdecke verschwand im Nebel.
Die Stimmen erhoben sich. Sie lag ganz still da, machte
Augen und Ohren zu und versuchte sich einzureden, dass das
alles gar nicht wahr war, dass sie gleich aufwachen und der
Spuk dann verschwunden sein würde.
Die Stimmen wurden lauter, und noch mehr Finger reckten
sich aus dem Nebel und zeigten auf sie.
»Ja«, flüsterte eine Stimme. »Perfekt… perfekt…«
Offenbar spielten ihr ihre Sinne einen Streich, denn plötzlich
rückte alles in weite Ferne. Zwar hörte sie die Stimmen noch,
doch schienen diese jetzt aus den entferntesten Winkeln ihres
Bewusstseins zu kommen. Nachdem sich die Stimmen und die
Schatten zurückgezogen hatten, kam nun etwas anderes, das sie
weder hören noch sehen konnte, unaufhaltsam näher.
Lauf!
Sie musste weglaufen, musste fliehen, ehe diese unsichtbare
Macht sie in ihre Gewalt brachte, ehe diese wispernden Wesen
zurückkehrten.
Zu spät! Auf einmal war sie wie gelähmt, konnte weder Arme
noch Beine bewegen, sich nicht aufsetzen. Unsichtbare
Fesseln, die sie nicht einmal spürte, hielten sie fest und
lieferten sie diesen körperlosen Mächten wehrlos aus.
Jetzt waren die Wesen wieder da, wirbelten um sie herum,
flüsterten miteinander.
Plötzlich schoss ihr ein stechender Schmerz durch die Brust,
als hätte man ihr eine Nadel direkt ins Herz gebohrt.
Und noch ein Stich. Diesmal in den Bauch.
Sie wollte schreien, doch kein Laut verließ ihre Lippen. Sie
versuchte auf ihre Peiniger einzuschlagen, doch die Muskeln
versagten ihr den Dienst.
Die Stiche kamen immer schneller, trafen sie in den Bauch,
in die Seite, den Unterleib, den Nacken.
Die Stimmen steigerten sich zu einem unverständlichen
Gebrabbel und entfernten sich dann, bis sie nur noch einen
seltsamen schmatzenden Laut wahrnahm, als schlabberte eine
Katze Milch.
Das Atmen fiel ihr immer schwerer, ihr Herz schlug
fieberhaft gegen ihre Brust und so laut, dass es ihr in den
Ohren dröhnte; doch plötzlich änderte sich der Rhythmus, ihr
Herz vibrierte, während sie verzweifelt um Luft rang.
Sie starb!
Das wenige Licht im Raum vereinigte sich zu einem Punkt
von Stecknadelkopfgröße, und sie glaubte, durch einen langen
Tunnel zu blicken. Und plötzlich waren die Fesseln, die sie
hielten, von ihr abgefallen, und sie rannte durch den Tunnel,
rannte auf das Licht zu. Doch die Wesen, die sie gerade noch
festgehalten hatten, verfolgten sie, griffen nach ihr. Wenn sie
sie zu fassen bekämen –
Sie rannte weiter, ihre Beine holten kräftig aus, die Arme
schwangen im Takt dazu vor und zurück. Ihr Herz fühlte sich
an, als wollte es platzen, und ihre Lungen brannten unter ihren
pfeifenden Atemzügen.
Aber sie kam gut voran.
Der Lichtpunkt vergrößerte sich.
Doch je weiter sie sich ihrem Ziel näherte, desto dichter
schlossen ihre Verfolger auf, kamen näher und näher.
Jetzt waren sie direkt hinter ihr, griffen nach ihr. Jeder
Muskel in ihrem Körper brannte inzwischen wie Feuer, und
einen Moment lang spürte sie ihre eigene Kraft, die sie
vorwärts trieb.
Sie würde es schaffen! Diesmal würde sie sich ins Licht
flüchten.
Sie war beinahe da! Nur noch ein Schritt und dann –
Sie stolperte.
Ihr Fuß verhakte sich, sie verlor das Gleichgewicht.
Während sie verzweifelt die Hände in die Höhe warf, brach ein
Schrei aus ihrer Kehle und –
Sie wachte auf.
Ihre Augen öffneten sich.
Ihr Herz raste, ihr Atem ging keuchend.
Sie war so erschöpft wie nach einem stundenlangen
Dauerlauf.
Kalter Schweiß bedeckte ihren Körper; ihr Schlafanzug war
feucht.
Das alles war nicht wahr. Es konnte nicht wahr sein.
Es war nur ein Traum gewesen, und sie lag in ihrem Bett, in
ihrem Zimmer, und die ersten Strahlen der Morgensonne
sollten auf die Jalousie scheinen.
Alles war nur ein Traum gewesen, und ihr war nichts
passiert.
Doch sie fühlte sich nicht gut.
Die Morgensonne schien nicht auf ihr Fenster.
Sie lag nicht in ihrem Bett; nicht in ihrem Zimmer.
Alles war anders.
Das Licht – das Licht, dem sie in ihrem Traum nachgejagt
war, das sie, wie sie geglaubt hatte, retten würde – war eine
nackte Glühbirne, die über ihr baumelte.
Die Peiniger, die sie in ihrem Traum zurückgelassen zu
haben glaubte, waren immer noch da, lauerten in den Schatten
– sie sah sie nicht, nahm aber ihre Anwesenheit deutlich wahr.
Einer der Peiniger, ganz in Weiß gekleidet und das
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