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Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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übrig, als die Mauer ein weiteres Mal zu überklettern.
    Aber zunächst musste sie den ausgedehnten Hof überqueren. Nach einem skeptischen Blick zum Haus atmete Kit tief durch und rannte los.
    Kaum hatte sie den schützenden Stall hinter sich gelassen, da ahnte sie auch schon, dass irgendetwas faul war. Die Nachtluft verströmte nicht mehr den würzigen Stallgeruch, stattdessen schnupperte sie eindeutig Zigarrenrauch.
    Ihr Verstand raste. Sie hechtete zu der Mauer, aber die
Ranke, an der sie sich hatte hochziehen wollen, entglitt ihr. Hektisch griff sie nach einer anderen, ließ das Bündel fallen und hangelte sich hoch. Dummerweise traf irgendetwas empfindlich ihren Hosenboden. Sie zappelte hilflos in der Luft herum und plumpste dann bäuchlings in den Schmutz. Spürte unsanft einen Stiefel im Kreuz.
    »Na, was haben wir denn hier?«, meinte der Stiefelträger über ihr gedehnt.
    Leicht benommen von dem Sturz, erkannte sie die tiefe Stimme wieder. Der Mann, der sie da eben in Schach hielt, war ihr Todfeind: Major Baron Nathaniel Cain.
    Kit sah rot. Energisch stützte sie die Hände in den weichen Erdboden und wollte aufstehen, aber sein Stiefel blieb, wo er war.
    »Nehmen Sie Ihren verdammten Fuß von mir runter, Sie dreckiger Sohn einer Hündin!«
    »Besser nicht«, sagte er mit einer Ruhe, die sie rasend machte.
    »Lassen Sie mich los! Sie lassen mich sofort los.«
    »Für einen Dieb bist du ganz schön dreist.«
    »Dieb!« Wütend trommelte sie mit den Fäusten in den Schmutz. »Ich hab noch nie was gestohlen. Wer was anderes behauptet, ist ein verdammter Lügner.«
    »Was hast du dann in meinem Stall gemacht?«
    Augenblicklich verstummte sie. Sann fieberhaft auf eine glaubwürdige Ausrede. »Ich… ich bin hergekommen, weil ich … ich gern in Ihrem Stall arbeiten würde. Weil keiner da war, hab ich ein bisschen gewartet. Darüber muss ich wohl eingeschlafen sein.«
    Sein Fuß rührte sich nicht.
    »A… als ich aufwachte, war es dunkel. Dann hörte ich Stimmen und hatte Angst, dass mich jemand entdecken und denken könnte, ich wollte die Pferde vergiften.«
    »Wer einen Job sucht, sollte meiner Meinung nach so
viel Grips haben und es an der Dienstbotentür versuchen.«
    Der Meinung war Kit eigentlich auch.
    »Ich bin sehr schüchtern«, versetzte sie.
    Schmunzelnd nahm er den Fuß von ihrem Rückgrat. »Ich lass dich jetzt los. Aber wenn du wegläufst, passiert was, Junge.«
    »Ich bin kein …« Sie unterbrach sich gerade noch rechtzeitig. »Ich laufe nicht weg«, sagte sie stattdessen und rappelte sich auf. »Hab mir nämlich nichts vorzuwerfen.«
    »Das bleibt abzuwarten, nicht wahr?«
    In diesem Augenblick glitt der Mond hinter einer Wolke hervor, und Cain war plötzlich nicht mehr ein drohend aufragender Schatten, sondern ein Mensch wie sie. Kit zog scharf den Atem ein.
    Er war groß, breitschultrig und schlank. Auch wenn sie dergleichen für gewöhnlich kalt ließ, musste sie einräumen, dass er ein ungemein attraktiver Mann war. Die Enden seines Binders baumelten von dem geöffneten Kragen eines weißen Frackhemds, dessen Ärmel mit kleinen Onyxmanschettenknöpfen zusammengehalten wurden. Er trug eine schwarze Hose und stand leicht breitbeinig, eine Hand lässig an die Hüfte gelegt, ein Zigarillo zwischen die Zähne geklemmt.
    »Und was haben wir hier?« Er deutete mit einer Kopfbewegung zu dem Bündel, das am Fuß der Mauer lag.
    »Das geht Sie einen feuchten Kehricht an!«
    »Von wegen, zeig mir, was du da drin hast.«
    Widerwillig zog Kit das Bündel aus dem Gesträuch und öffnete es. »Wechselgarderobe, eine Ausgabe von Mr. Emersons Essays und Daddys Pistole.« Die Rückfahrkarte nach Charleston, die sie in dem Buch versteckt hatte, ließ sie geflissentlich unerwähnt. »Nichts von Bedeutung.«
    »Was macht ein Junge wie du mit Emersons Essays ?«
    »Ich bin ein glühender Anhänger von Ralph Waldo Emerson.«
    Um seine Mundwinkel zuckte es kaum merklich. »Hast du überhaupt Geld?«
    Mit gesenktem Kopf knotete sie das Bündel zu. »Klar hab ich Geld bei mir. Ich bin doch nicht blöd und fahr völlig blank in eine fremde Stadt.«
    »Wie viel?«
    »Zehn Dollar«, knirschte sie.
    »Damit kommt man in New York nicht weit.«
    Hätte er gewusst, dass sie nur drei Dollar und achtundzwanzig Cent bei sich trug, wäre er bestimmt stutzig geworden. »Ich hab doch gesagt, ich suche einen Job.«
    »Ach ja, richtig.«
    Der Typ wirkte verdammt furchteinflößend. Automatisch wich sie einen Schritt zurück.
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