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Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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interessierte Cain nicht weiter.
    Bei Kriegsbeginn überquerte er nach zwölf Jahren zum ersten Mal wieder den Mississippi River und trat der Armee bei, aber nicht etwa um die Union zu stützen, sondern weil er ein freiheitsliebender Mensch war und ihn die Sklaverei zutiefst abstieß. Er schloss sich Grants durchgreifenden Truppen an und fiel dem General auf, als sie Fort Henry einnahmen. In Shiloh gehörte er bereits Grants Militärstab an. Zweimal entging er knapp dem Tod, bei Vicksburg und vier Monate später bei Chattanooga, als er den Missionary Ridge in einer Schlacht einnahm, die Shermans »Marsch zum Meer« überhaupt erst ermöglichte.
    Ab da berichteten die Zeitungen von Baron Cain als dem »Helden vom Missionary Ridge«. Er wurde mit glühenden Worten für seinen patriotischen Einsatz gewürdigt. Nach mehreren erfolgreichen Vorstößen durch die gegnerischen Truppenlinien wurde General Grant mit den Worten zitiert: »Ich würde lieber meinen rechten Arm verlieren als Baron Cain.«
    Was Grant und die Zeitungen nicht wahrnahmen, war, dass Cain für das Risiko lebte. Gefahren brachten ihm, genau wie der Sex, erst den nötigen Nervenkitzel. Vielleicht verdiente er sich den Lebensunterhalt deshalb mit dem Pokerspiel, wo er auf sein Kartenglück vertrauen musste.
    Aber auch dieser Reiz ließ nach. Das Glücksspiel, die exklusiven Clubs, die Frauen – all das bedeutete ihm immer weniger. Irgendetwas fehlte in seinem Leben, aber er hatte keine Ahnung, was es war.
     
    Als Kit die ihr unbekannte Stimme vernahm, zuckte sie unwillkürlich zusammen. Frisches Stroh piekste ihr in die
Wange, und einen kurzen Moment lang hatte sie das Gefühl, zu Hause in der Scheune von Risen Glory zu sein. Dann fiel ihr siedendheiß ein, dass diese ja abgefackelt worden war.
    »Wieso gehst du nicht rein, Magnus? Du hattest einen harten Tag.« Die Stimme kam von der anderen Seite des Stalls. Tief und schroff, hatte sie absolut nicht den weichen, gedehnten Akzent ihrer Heimat.
    Kit blinzelte, bemüht, in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen. Schlagartig dämmerte es ihr. Grundgütiger! Sie war in Baron Cains Scheune eingedöst.
    Sie stützte sich auf einen Ellbogen auf und reckte vorsichtig den Kopf. Die Frau auf der Fähre hatte ihr den Weg nicht richtig beschrieben, und es war dunkel gewesen, als Kit das Haus endlich gefunden hatte. Sie hatte sich im Gebüsch versteckt, bis sie sich sicher wähnte. Dann war sie heimlich über die Außenmauer geklettert, um sich das Anwesen genauer anzusehen. Als sie das geöffnete Stallfenster entdeckte, war sie kurzerhand hindurchgeschlüpft. Müde und erschöpft, hatten der vertraute Geruch nach Pferden und frischem Stroh sie dummerweise dazu bewogen, in einer versteckten Ecke ein Nickerchen zu machen.
    »Wollen Sie morgen auf Saratoga ausreiten?« Da war wieder diese andere Stimme, weicher und vertrauter – wie die der früheren Plantagensklaven.
    »Kann sein. Wieso?«
    »Die Flankenverletzung verheilt schlecht. Besser, Sie schonen die Stute noch ein paar Tage.«
    »In Ordnung. Ich schau sie mir morgen an. Gute Nacht, Magnus.«
    »Gute Nacht, Major.«
    Major? Kits Herzschlag beschleunigte sich. Der Mann mit der tiefen Stimme war also Baron Cain! Sie kroch
zum Scheunenfenster, spähte über den Sims und bekam gerade noch mit, wie er in dem hell erleuchteten Haus verschwand. Zu spät. Damit hatte sie die Chance verpasst, einen Blick auf sein Gesicht zu werfen. Ein ganzer Tag umsonst!
    Sie war den Tränen nahe. Schlimmer hätte es kaum noch kommen können. Es war weit nach Mitternacht, und sie befand sich in einer ihr völlig fremden Yankee-Stadt, in der sie sich nicht auskannte. Sie schluckte trocken und versuchte sich zu konzentrieren, indem sie den verbeulten Hut tiefer in die Stirn zog. Zwecklos, sich deswegen graue Haare wachsen zu lassen. Als Erstes musste sie jedenfalls schleunigst verschwinden und sich einen anderen Schlafplatz suchen. Morgen wollte sie ihre Beobachtungen aus sicherer Entfernung wieder aufnehmen.
    Ihr Bündel unter den Arm geklemmt, schlich sie sich zur Stalltür und horchte. Cain war im Haus verschwunden, aber wo war der andere, dieser Magnus? Behutsam drückte sie das Tor auf und spähte nach draußen.
    Durch die Vorhänge vor den Fenstern fiel ein schwacher Lichtschein auf den Hof zwischen Stall und Kutschenverschlag. Sie glitt ins Freie und lauschte. Alles blieb still. Das Eisentor in der hohen Ziegelmauer war zweifellos verschlossen, folglich blieb Kit nichts anderes
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