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Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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Darauf konnte Kit gut verzichten. Kurz entschlossen nähte sie aus den Kleidern Hosen und Jungenhemden. Mit zehn konnte sie schießen, fluchen, im Herrensitz reiten, und sie hatte schon heimlich geraucht.
    Nachts, wenn sie sich grässlich einsam und allein gelassen fühlte, baute sie sich mental damit auf, dass dieses neue Leben für ein abenteuerlustiges, junges Mädchen auch Vorzüge bot. Sie konnte auf Bäume klettern, wann immer sie Lust dazu hatte, und sich an den Seilen in der Scheune hin und her schwingen. Die Dorfburschen brachten ihr Reiten und Fischen bei. Bevor ihre Stiefmutter morgens aufwachte, schlich sie sich heimlich in die Bibliothek und holte sich dort die heiß geliebten Bücher. Und wenn sie sich das Knie aufschlug oder sich einen Splitter in den Fuß trat, rannte sie Trost suchend zu Sophronia in die Küche.
    Der Krieg änderte alles. Die ersten Schüsse fielen einen Monat vor ihrem vierzehnten Geburtstag in Fort Sumter. Wenig später überließ Garrett Weston seiner Frau Rosemary die Verwaltung der Plantage und schloss sich der Konföderiertenarmee an. Da Kits Stiefmutter nie vor elf Uhr morgens aufstand und das Landleben zudem verabscheute, verfiel Risen Glory zusehends. Kit versuchte nach Kräften, den Platz ihres Vaters einzunehmen, aber mit dem Krieg wurde der Markt für Baumwolle unrentabel. Und sie war zu jung, um sich um alles kümmern zu können.
    Die Sklaven liefen ihnen davon. Garrett Weston fiel in
der Schlacht von Shiloh. Tief bestürzt erfuhr Kit, dass er die Plantage seiner Frau vermacht hatte. Kit hatte ein paar Jahre zuvor einen Treuhandfonds von ihrer Großmutter geerbt, aber Geld bedeutete ihr nichts.
    Nicht lange darauf marschierten Yankee-Soldaten durch Rutherford und brannten alles nieder. Rosemary bandelte mit einem attraktiven, jungen Leutnant aus Ohio an. Der Umstand, dass sie ihn häufiger in ihr Schlafzimmer einlud, vermochte zwar das Wohnhaus von Risen Glory vor den Flammen zu retten, nicht aber die Wirtschaftsgebäude. Bald nach Lees Kapitulation in Appomatox starb ihre Stiefmutter im Gefolge einer Grippeepidemie.
    Kit hatte alles verloren. Den Vater, die Kindheit, ihre Lebensperspektive. Nur der Grundbesitz existierte noch. Risen Glory. Und das war das Wichtigste überhaupt, sagte sie sich, als sie sich auf der dünnen Matratze über dem Stall von Baron Cain zusammenkuschelte. Koste es, was es wolle – sie würde die Plantage zurückbekommen.
    In glühenden Farben malte sie sich aus, wie es wäre, wenn Risen Glory endlich ihr gehörte. Darüber schlief sie schließlich ein.
     
    Im Stall standen zwei Kutsch- und zwei Reitpferde, wie Kit am nächsten Morgen feststellte. Als sie an den Boxen vorbeischlenderte, reckte ein prachtvoller Hengst seinen langen, schlanken Hals und stupste sie zutraulich an der Schulter. Ihre Anspannung ließ ein wenig nach. Es würde alles gut werden. Sie musste nur die Augen offen halten und Zeit gewinnen. Baron Cain war zwar gefährlich, aber sie hatte einen Vorteil: Sie kannte ihren Gegner.
    »Er heißt Apollo.«
    »Was?« Als sie herumwirbelte, bemerkte sie hinter der halb geöffneten Stalltüre einen jungen Mann mit schokoladenbrauner
Haut und großen, ausdrucksvollen Augen. Er war Anfang bis Mitte zwanzig, groß, mit schmalen Schultern und leicht untersetzt. Ein schwarzweiß gefleckter Mischlingshund wartete geduldig darauf, ausgeführt zu werden.
    »Der Hengst da. Er heißt Apollo und ist das Lieblingspferd vom Major.«
    »Was Sie nicht sagen.« Kit öffnete die untere Torhälfte und trat zu ihm ins Freie.
    Der junge Mann musterte sie kritisch, während sie von der Promenadenmischung beschnüffelt wurde. »Ich bin Magnus Owen. Der Major sagt, er hat dich gestern Abend eingestellt, nachdem du hier im Stall herumspioniert hast.«
    »Ich hab nicht spioniert. Nein, also wirklich nicht. Ihr Major ist verdammt misstrauisch, das ist alles.« Sie deutete auf den Mischling. »Ist das Ihr Hund?«
    »Ja. Ich nenn ihn Merlin.«
    »Ist bestimmt kein guter Wachhund.«
    Magnus runzelte verärgert die Augenbrauen. »Wie kommst du denn darauf, Junge? Du kennst meinen Hund doch gar nicht!«
    »Ich hab gestern Nachmittag da oben auf dem Heuboden geschlafen. Wenn Merlin ein guter Wachhund wäre, hätte er bestimmt angeschlagen.« Kit bückte sich und kraulte den Hund abwesend hinter den Ohren.
    »Merlin war gestern Nachmittag gar nicht hier«, erwiderte Magnus. »Er war bei mir.«
    »Na gut, dann war ich eben vorschnell mit meinem Urteil. Die Yankees
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