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Das Gluecksarmband

Das Gluecksarmband

Titel: Das Gluecksarmband
Autoren: Holly Greene
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1
    M olly O’Neill fand, dass das Leben einer Schneekugel glich. Von außen wirkte es friedlich, bis man die Kugel schüttelte und drinnen alles durcheinanderwirbelte.
    Als sie die Nase an die Fensterscheibe drückte, landete vor ihr eine zarte Schneeflocke auf dem Glas, die sich rasch in nichts auflöste.
    Molly liebte den ersten Schnee im Winter. Er war ein Zeichen, dass Weihnachten nahte und es Zeit war, sich vor dem warmen Kaminfeuer in ihrer gemütlichen kleinen Wohnung einzukuscheln. Der Schnee kündigte Lichterfunkeln, Glühwein und rote Backen an, mitten im Trubel der Großstadt. Unter einer Schneedecke wirkte New York erst richtig romantisch.
    Sie schloss die Augen und malte sich das allgemeine Wohlwollen aus, das sich hier in Manhattan stets wie von selbst zu entfalten schien, sobald die Temperaturen draußen sanken. Überall breiteten sich dann Fröhlichkeit und gute Laune aus. Die Vorfreude auf die Feiertage entlockte Molly ein Lächeln, und sie fragte sich, welche wunderbaren Dinge der Schnee wohl noch mit sich bringen würde.
    «Mom! Ich kann meinen iPod nicht finden!»
    Molly öffnete die Augen wieder und rief sich ins Hier und Jetzt zurück. Immer noch lächelnd wandte sie sich vom Fenster ab, als auch schon die Wohnzimmertür aufflog. Ein Zehnjähriger am Rande eines gerätetechnisch bedingten Nervenzusammenbruchs kam hereingestürzt.
    «Ich weiß nicht, wo ich ihn hingelegt hab, und ich brauche ihn jetzt sofort. Ich habe gerade den neuen Song von Kanye West runtergeladen, den will ich Chris doch in der Schule vorspielen.» Vor ihr stand ihr Sohn Danny. Vor Bestürzung hatte er die blauen Augen weit aufgerissen, und das dunkelbraune Haar, das Molly vorhin sorgfältig mit Wasser geglättet hatte, stand wieder wild in alle Richtungen ab, so als wäre er eben erst aus dem Bett gesprungen.
    «Danny, ganz ruhig – ich habe mir deinen iPod geliehen, da liegt er.» Molly deutete auf den antiken Beistelltisch aus Rosenholz, den sie in einem Trödlerladen in der Canal Street entdeckt und vor dem sicheren Verderben bewahrt hatte.
    Skeptisch zog der Junge die Augenbrauen hoch. «Du … hast dir meinen iPod geliehen?» Er nahm das kleine Gerät an sich und schaltete es rasch ein, als wolle er sichergehen, dass seine technisch unterbelichtete Mutter nicht irgendetwas damit angestellt und es so in eine längst vergangene Epoche zurückkatapultiert hatte. «Ich dachte, du kannst damit gar nicht umgehen.»
    «Also, dann muss ich dir sagen, dass ich das BlackBerry von Carole inzwischen richtig gut beherrsche.» Carole war Mollys Chefin und hatte mit diesem Geburtstagsgeschenk versucht, ihre Mitarbeiterin ins einundzwanzigste Jahrhundert hineinzuholen. Im
Secret Wardrobe
, Caroles Vintage-Laden in Greenwich Village, waren Kundenlisten, Lieferungen und andere Vorgänge zu verwalten, und Carole hatte gedacht, das BlackBerry könnte Molly diese Arbeiten erleichtern.
    «Aber nur, weil ich es dir beigebracht habe, Mom», sagte Danny lächelnd, während er seine Playlist runterscrollte. «Hä, wer ist denn Dean Martin?», fragte er dann mit gerümpfter Nase, als hätte er etwas Widerliches gerochen.
    In gespieltem Unglauben warf Molly die Arme hoch. «Mein Sohn weiß nicht, wer Dean Martin
ist?
When the moon hits your eye like a big pizza pie that’s … amore!
», sang sie. Danny verdrehte die Augen.
    «Ein Song über Pizza? Krass.»
    Molly kicherte. «Da geht’s nicht um Pizza, sondern um Liebe! Hör dir das Lied mal an, ich hab es runtergeladen. Meine Platte muss wohl noch bei Nana sein, jedenfalls kann ich sie nicht finden.»
    «Okay, ich höre mir deinen Pizza-Song an, wenn du dir Kanye anhörst.»
    «Hach, du verhandelst mal wieder, typisch.» Molly lachte. «Vielleicht heute Abend, mein Schatz, jetzt müssen wir los. Ich bin schon spät dran, und wir erwarten eine große Lieferung im Laden.»
    Danny setzte sich auf Mollys gemachtes Bett, das hinter einem hübschen Seidenvorhang im Wohnzimmer verborgen war. Molly hatte ihrem Sohn das einzige Schlafzimmer gegeben, damit er für seine Sachen Platz hatte und sich zurückziehen konnte.
    «Ich kapiere das nicht.»
    «Was kapierst du nicht?», fragte sie, während sie ihren Kleiderschrank
durchstöberte. Sie suchte nach der Jacke von Dior, die sie im
Secret Wardrobe
ganz unten aus einem Stapel Second-Hand-Kleidung herausgezogen hatte. Allerdings hätte sie sich das schöne Kleidungsstück ohne ihren Mitarbeiterinnenrabatt niemals leisten können, schließlich musste
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