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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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eigentlichen Ursachen des Übels verstellt und dadurch ein krankmachendes System am Leben erhält. Ich sehe diese Gefahr auch, wenn die psychologischen Ansätze mit einer Blindheit für die im 3. Ansatz betonten Faktoren und Zusammenhänge verbunden sind. Als genauso gefährlich sehe ich es an, wenn der 3. Ansatz mit einer Blindheit für die Faktoren und Zusammenhänge der beiden ersten Ansätze verbunden ist (Schulz von Thun 1980). Kann man glaubwürdig und vertrauenserweckend für eine Veränderung der Gesellschaft eintreten, ohne bei sich selbst und im kleinen Kreis der unmittelbaren Reichweite anzufangen?
    Wer «ganze Arbeit» leisten will, wird die drei Ansätze miteinander verbinden müssen. Ich halte es für vertretbar, wenn ein psychologischer Beitrag die Ansätze 1 und 2 ausarbeitet, im Bewusstsein, dass damit noch nicht die ganze Arbeit getan ist.

[zur Inhaltsübersicht]
    Teil A:
    Grundlagen
    I.
    Die Anatomie einer Nachricht
    (oder: Wenn einer etwas von sich gibt …)
    Der Grundvorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation ist schnell beschrieben. Da ist ein Sender , der etwas mitteilen möchte. Er verschlüsselt sein Anliegen in erkennbare Zeichen – wir nennen das, was er von sich gibt, seine Nachricht . Dem Empfänger obliegt es, dieses wahrnehmbare Gebilde zu entschlüsseln. In der Regel stimmen gesendete und empfangene Nachricht leidlich überein, so dass eine Verständigung stattgefunden hat. Häufig machen Sender und Empfänger von der Möglichkeit Gebrauch, die Güte der Verständigung zu überprüfen: Dadurch, dass der Empfänger zurückmeldet, wie er die Nachricht entschlüsselt hat, wie sie bei ihm angekommen ist und was sie bei ihm angerichtet hat, kann der Sender halbwegs überprüfen, ob seine Sende-Absicht mit dem Empfangsresultat übereinstimmt. Eine solche Rückmeldung heißt auch Feedback .
    Schauen wir uns die «Nachricht» genauer an. Für mich selbst war es eine faszinierende «Entdeckung», die ich in ihrer Tragweite erst nach und nach erkannt habe, dass ein und dieselbe Nachricht stets viele Botschaften gleichzeitig enthält . Dies ist eine Grundtatsache des Lebens, um die wir als Sender und Empfänger nicht herumkommen. Dass jede Nachricht ein ganzes Paket mit vielen Botschaften ist, macht den Vorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation so kompliziert und störanfällig, aber auch so aufregend und spannend.
    Um die Vielfalt der Botschaften, die in einer Nachricht stecken, ordnen zu können, möchte ich vier seelisch bedeutsame Seiten an ihr unterscheiden. Ein Alltagsbeispiel (s. Abb. 3).

    Abb. 3:
    Beispiel für eine Nachricht aus dem Alltag: Die Frau sitzt am Steuer, der Mann (Beifahrer) ist Sender der Nachricht.
    Der Mann (= Sender) sagt zu seiner am Steuer sitzenden Frau (= Empfänger): «Du, da vorne ist grün!» – Was steckt alles drin in dieser Nachricht, was hat der Sender (bewusst oder unbewusst) hineingesteckt, und was kann der Empfänger ihr entnehmen?
    1.
    Sachinhalt
    (oder: Worüber ich informiere)
    Zunächst enthält die Nachricht eine Sachinformation. Im Beispiel erfahren wir etwas über den Zustand der Ampel – sie steht auf Grün. Immer wenn es «um die Sache» geht, steht diese Seite der Nachricht im Vordergrund – oder sollte es zumindest.
    Auch im Augenblick übermittle ich in diesem Kapitel an den Leser zahlreiche Sachinformationen. Sie erfahren hier Grundlagen der Kommunikationspsychologie. – Dies ist jedoch nur ein Teil von dem, was sich gegenwärtig zwischen mir (dem Sender) und Ihnen (den Empfängern) abspielt. Wenden wir uns daher dem zweiten Aspekt der Nachricht zu:
    2.
    Selbstoffenbarung
    (oder: Was ich von mir selbst kundgebe)
    In jeder Nachricht stecken nicht nur Informationen über die mitgeteilten Sachinhalte, sondern auch Informationen über die Person des Senders. Dem Beispiel können wir entnehmen, dass der Sender offenbar deutschsprachig und vermutlich farbtüchtig ist, überhaupt, dass er wach und innerlich dabei ist. Ferner: dass er es vielleicht eilig hat usw. Allgemein gesagt: In jeder Nachricht steckt ein Stück Selbstoffenbarung des Senders. Ich wähle den Begriff der Selbstoffenbarung, um damit sowohl die gewollte Selbstdarstellung als auch die unfreiwillige Selbstenthüllung einzuschließen. Diese Seite der Nachricht ist psychologisch hochbrisant, wie wir sehen werden.
    Auch während Sie dieses jetzt lesen, erfahren Sie nicht nur Sachinformationen, sondern auch allerhand über mich, Schulz von Thun, den Autor. Über
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