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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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S. 160ff. mit einigen Beispielen zusammengefasst – für eine ausführliche Darstellung (mit Trainingsprogramm) sei auf Langer, Schulz von Thun und Tausch (1981) verwiesen. – Dieses Forschungsprojekt hatte einen nachhaltigen Einfluss auf meinen eigenen Stil, Vorlesungen zu halten und wissenschaftliche Veröffentlichungen zu schreiben.
    Als Zweites kam hinzu, dass ich in zahlreichen Trainingskursen für Eltern, Lehrer und Berufspraktiker aller Art bald merkte, dass wissenschaftlich-gelehrsame Ausführungen nicht ankamen. Überhaupt haben diese Kursusteilnehmer großen Einfluss auf dieses Buch genommen. Das Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation, das ich vorstellen werde, ist aus der Begegnung von Wissenschaft und Praxis allmählich entstanden.
    Im Jahre 1970 trat ein Hamburger Industrieunternehmen an die Gruppe um Reinhard Tausch heran mit der Anfrage, ob wir einen psychologischen Beitrag zur Kommunikationsfähigkeit der Mitarbeiter leisten können. Zunächst waren wir uns im Unklaren: Galt die Anfrage dem damals noch in den Kinderschuhen steckenden Hamburger Verständlichkeitskonzept? Oder galt die Anfrage den Erkenntnissen von Reinhard und Anne-Marie Tausch zu einem partnerschaftlichen Umgangsstil? Es stellte sich heraus, dass beides gemeint war. Menschliche Kommunikation hat eben mehrere Seiten; Paul Watzlawick formulierte diesen Sachverhalt damals als ein «Axiom»: «Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungs-Aspekt …» (Watzlawick u.a. 1969).
    Für meine Kollegen Bernd Fittkau, Inghard Langer und für mich stellte sich damals die Frage: Wie können wir die verschiedenen Ansätze der Psychologie, die Beiträge etwa von Carl Rogers, Alfred Adler, Ruth Cohn, Fritz Perls und Paul Watzlawick so «unter einen Hut» bringen, dass sie für die praktischen Kommunikationsprobleme in einer Zusammenschau dienlich würden? Mit der Zeit schälten sich vier Problemgruppen heraus, die den Vorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation gleichsam von vier Seiten her beleuchten:

    1. Sachaspekt. Wie kann ich Sachverhalte klar und verständlich mitteilen? Für diesen Aspekt der Kommunikation hatten wir unser Hamburger Verständlichkeitskonzept zu bieten.

    2. Beziehungsaspekt. Wie behandle ich meinen Mitmenschen durch die Art meiner Kommunikation? Je nachdem, wie ich ihn anspreche, bringe ich zum Ausdruck, was ich von ihm halte; entsprechend fühlt sich der andere entweder akzeptiert und vollwertig behandelt oder aber herabgesetzt, bevormundet, nicht ernst genommen. Reinhard und Anne-Marie Tausch hatten in ihrer «Erziehungspsychologie» (1977) das Geschehen in der Schule daraufhin untersucht – und zwar deshalb, weil sie die Persönlichkeitsentwicklung des Schülers vorrangig durch diesen Beziehungsaspekt beeinflusst sahen.

    3. Selbstoffenbarungsaspekt. Wenn einer etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich  – dieser Umstand macht jede Nachricht zu einer kleinen Kostprobe der Persönlichkeit, was dem Sender nicht nur in Prüfungen und in der Begegnung mit Psychologen einige Besorgnis verursacht. Mit dem zunehmenden Einfluss der Humanistischen Psychologie in Deutschland wurde uns klar, dass ein «Leben hinter Fassaden» zwar die Selbstoffenbarungsangst eindämmen kann, aber mit großen Kosten für die seelische Gesundheit und für die zwischenmenschliche Verständigung verbunden ist. – Mit diesem Aspekt ist das Thema der Echtheit (Authentizität) angesprochen.

    4. Appellaspekt. Wenn einer etwas von sich gibt, will er in der Regel auch etwas bewirken. Das Problem von Einfluss und Manipulation stellt sich nicht nur in der Werbung und Propaganda, nicht nur in Erziehung und Unterricht, sondern auch bei allerlei menschlichen Eigenarten bis hin zu neurotischen Symptomen, von denen man spätestens seit Alfred Adler weiß, dass sie nachhaltige Wirkungen auf die menschliche Umgebung des Patienten ausüben und dass in dieser heimlichen Zielstrebigkeit vielleicht ihr Wesen begründet liegt.
    All diese Probleme im Kopf und eine ferne Erinnerung daran, dass Karl Bühler «drei Aspekte der Sprache» (1934) unterschieden hatte (Symbol, Symptom, Appell), kam ich schließlich auf den Gedanken, den Teilnehmern unserer Trainingskurse die «Nachricht» als quadratisches Gebilde darzustellen, wobei ich die Sichtweisen von Watzlawick und Bühler kombinierte:

    Abb. 1:
    Vier Seiten der Nachricht – ein Modellstück der zwischenmenschlichen Kommunikation.
    Ich muss gestehen, dass ich über die «Geburt»
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