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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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(Sachseite der Nachricht), aber die dozierende Art fällt mir auf den Wecker!» Ich habe selbst erlebt, dass manche Empfänger allergisch reagieren, wenn ich die Sachinformation übertrieben verständlich darstelle; das Gefühl mag sein: «Er muss mich für dumm halten, dass er die Informationen so einfach, gleichsam ‹idiotensicher› darstellt.» Sie sehen, wie selbst bei sachorientierten Darstellungen die Beziehungsseite der Nachricht das Geschehen mitbestimmen kann.
    4.
    Appell
    (oder: Wozu ich dich veranlassen möchte)
    Kaum etwas wird «nur so» gesagt – fast alle Nachrichten haben die Funktion, auf den Empfänger Einfluss zu nehmen . In unserem Beispiel lautet der Appell vielleicht: «Gib ein bisschen Gas, dann schaffen wir es noch bei grün!»
    Die Nachricht dient also (auch) dazu, den Empfänger zu veranlassen, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, zu denken oder zu fühlen. Dieser Versuch, Einfluss zu nehmen, kann mehr oder minder offen oder versteckt sein – im letzteren Falle sprechen wir von Manipulation. Der manipulierende Sender scheut sich nicht, auch die anderen drei Seiten der Nachricht in den Dienst der Appellwirkung zu stellen. Die Berichterstattung auf der Sachseite ist dann einseitig und tendenziös, die Selbstdarstellung ist darauf ausgerichtet, beim Empfänger bestimmte Wirkung zu erzielen (z.B. Gefühle der Bewunderung oder Hilfsbereitschaft); und auch die Botschaften auf der Beziehungsseite mögen von dem heimlichen Ziel bestimmt sein, den anderen «bei Laune zu halten» (etwa durch unterwürfiges Verhalten oder durch Komplimente). Wenn Sach-, Selbstoffenbarungs- und Beziehungsseite auf die Wirkungsverbesserung der Appellseite ausgerichtet werden, werden sie funktionalisiert , d.h. spiegeln nicht wider, was ist, sondern werden zum Mittel der Zielerreichung. Darüber ausführlich in Kap. B IV, 1, S. 243ff.
    Der Appellaspekt ist vom Beziehungsaspekt zu unterscheiden, denn mit dem gleichen Appell können sich ganz unterschiedliche Beziehungsbotschaften verbinden. In unserem Beispiel mag die Frau den Appell an sich vernünftig finden, aber empfindlich auf die Bevormundung reagieren. Oder umgekehrt könnte sie den Appell für unvernünftig halten («ich sollte nicht mehr als 60 fahren»), aber es ganz in Ordnung finden, dass der Mann ihr in dieser Weise Vorschläge zur Fahrweise macht.
    Natürlich enthält auch dieses Buch etliche Appelle. Sie werden in den folgenden Kapiteln noch deutlicher werden. Ein wesentlicher Appell lautet zum Beispiel: Versuche, in kritischen (Kommunikations-)Situationen, die «leisen» Selbstoffenbarungs-, Beziehungs- und Appellbotschaften direkt anzusprechen bzw. zu erfragen, um auf diese Weise «quadratische Klarheit» zu erreichen!
    Die nun hinlänglich beschriebenen vier Seiten einer Nachricht sind im folgenden Schema zusammengefasst:

    Abb. 4:
    Die vier Seiten (Aspekte) einer Nachricht – ein psychologisches Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation.
Dieses Modell ist angeregt durch Bühler (1934) und Watzlawick u.a. (1969). Bühler unterscheidet «drei Aspekte der Sprache»: Darstellung (= Sachinhalt), Ausdruck (= Selbstoffenbarung) und Appell. Watzlawick unterscheidet zwischen dem Inhalts- und dem Beziehungsaspekt von Nachrichten. Der «Inhaltsaspekt» ist gleichbedeutend mit dem «Sachinhalt» des vorliegenden Modells. Der «Beziehungsaspekt» ist dagegen bei ihm weiter definiert und umfasst im Grunde alles drei: «Selbstoffenbarung», «Beziehung» (im engeren Sinne) und «Appell», und damit auch den «metakommunikatorischen» Anteil an der Nachricht, der Hinweise darauf gibt, wie sie aufzufassen ist. Den Vorteil des hier vorgestellten Modells sehe ich darin, dass es die Vielfalt möglicher Kommunikationsstörungen und -probleme besser einzuordnen gestattet und den Blick öffnet für verschiedene Trainingsziele zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit.
    5.
    Die Nachricht als Gegenstand der Kommunikationsdiagnose
    Halten wir fest: Ein und dieselbe Nachricht enthält viele Botschaften; ob er will oder nicht – der Sender sendet immer gleichzeitig auf allen vier Seiten. Die Vielfalt der Botschaften lässt sich mit Hilfe des Quadrates ordnen. Dieses «Drumherum» der Botschaften bestimmt die psychologische Qualität einer Nachricht. Zur Verdeutlichung dieser kommunikationspsychologischen Arbeitsweise nehmen wir noch einmal die Nachricht des Beifahrers: «Du, da vorne ist grün!» unter die kommunikationspsychologische
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