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Mit einem Fuß im Himmel

Mit einem Fuß im Himmel

Titel: Mit einem Fuß im Himmel
Autoren: Marie Louise Fischer
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Verlust würde durch ihren Tod nicht entstehen, das sah Liselotte mit aller Klarheit, und es war ihr schrecklich, daß es so war.
    Sie war auf dem falschen Dampfer, sie mußte aussteigen, sie mußte umsteigen, irgend etwas mußte geschehen, sie mußte etwas unternehmen — aber was!? Ja, was zum Teufel?! Heiraten, ja, das würde das Richtige sein — aber wen sollte sie heiraten, wer würde sie heiraten? Niemand! Trotz all ihrer Reize gab es keinen Menschen auf der Welt, der sie geheiratet hätte. Zwar war sie es durchaus gewohnt, daß die Herren, die in ihrem Laden Blumen kauften, ihr Komplimente machten oder sogar versuchten, sich mit ihr zu verabreden, aber dabei blieb es denn auch, mußte es ja bleiben, denn ein ernsthafter Heiratskandidat war ihr noch nicht begegnet, entweder waren diese Männer zu jung oder zu alt, verlobt oder verheiratet, oder sie hatten sonst einen nicht zu übersehenden Fehler. Vielleicht sollte sie an Frau Romba schreiben, an Frau Romba und ihr wohlakkreditiertes Heiratsinstitut, das sie von unzähligen Anzeigen und Annoncen her kannte, aber gegen einen solchen Schritt sträubte sich alles in ihr. Nein, das war unmöglich, und außerdem — sie wußte ja, wen sie gerne geheiratet hätte, sie wußte es ganz genau. Aber wie sollte sie jenem etwas sonderlichen Herrn, der Tag für Tag Blumen für seine Braut bei ihr bestellte, näherkommen, wenn er sich nie in ein Gespräch mit ihr einließ, ihr nicht einmal einen Blick gönnte, wenn sie nicht einmal seinen Namen kannte. Unmöglich, und doch, es mußte einen Weg geben, das scheinbar Unmögliche wahr zu machen!
    In tiefste Gedanken versunken schlug Liselotte, ohne zu wissen, was sie tat, den Ausblick auf, und ganz unwillkürlich fiel ihr Blick auf jene Spalte, die in keiner Ausgabe fehlte und die dem Ausblick mindestens soviel Leser verschaffte wie das Tageshoroskop: »Tante Hedwig antwortet...«
    Liselotte stutzte. Ja, Tante Hedwig, vielleicht war dies das Richtige, vielleicht sollte sie sich mit ihren Sorgen und Wünschen wirklich einmal an Tante Hedwig wenden, die doch selbst in den kompliziertesten Situationen immer einen guten Rat wußte!
    Sicherlich war sie eine gute, kluge, mütterliche Frau, der man ohne Bedenken sein Herz ausschütten konnte, und schaden würde eine solche Anfrage nichts, selbst wenn sie auch nicht helfen konnte.
    Kurz entschlossen kramte Liselotte ihren Briefblock heraus, schraubte ihren Füllfederhalter auf und begann zu schreiben. »Liebe Tante Hedwig...« — Sie beschrieb erst einmal sich selber in kurzen Zügen, und das Leben, das sie führte, und darüber kam sie auch auf Hein Grotius zu sprechen. Sie zögerte einen Augenblick und ließ den Füllfederhalter ruhen.
    Vielleicht war Hein Grotius der Richtige für sie? Sie konnte es zwar nicht glauben, denn schließlich war er ja einige Jahre jünger und ein notorischer Leichtfuß! Aber immerhin, er war weder verlobt noch verheiratet, also zu haben. Daß er sie gut leiden mochte, wir sicherlich nicht gelogen. Wer weiß? Manchmal liegt einem das Glück so dicht vor der Nase, daß man es gar nicht mehr zu sehen vermag. Liselotte entschloß sich, Tante Hedwig auf alle Fälle auch Hein Grotius als Heiratskandidaten zu unterbreiten, aber ehe sie weiterschrieb, fiel ihr noch ein anderer heißer Verehrer ein — Oskar Hähnlein, der Chef persönlich!
    Wie oft schon hatte ihr Oskar Hähnlein von seiner unglücklichen Ehe vorgejammert, hatte er ihr gestanden, daß sie, Liselotte, die einzige Frau sei, die ihn glücklich machen könnte! Vielleicht war es ganz dumm und falsch, übertrieben prüde und altmodisch von ihr, da nicht zuzugreifen. Warum schließlich sollte er sich nicht scheiden lassen, da seine Ehe ohnedies die »Hölle auf Erden« für ihn war, wie er oft genug beteuerte? Bestimmt war es richtig, Tante Hedwig auch von Oskar Hähnleins Angeboten zu berichten, und in jedem Fall würde es interessant sein zu erfahren, was sie dazu zu sagen hatte.
    Energisch wandte Liselotte sich wieder ihrem Brief zu und schrieb und schrieb, vier bis zum Rande gefüllte Seiten voll. Sie steckte den Brief in einen Umschlag, klebte die Briefmarken auf, schlüpfte wieder in ihren Mantel und eilte zum nächsten Briefkasten, um mit einem Gefühl unendlicher Erleichterung wieder nach Hause zurückzukehren.
    Es tat so gut, einem verständnisvollen Menschen sein Herz ausgeschüttet zu haben, und noch besser tat die Gewißheit, daß man auf dem besten Wege ist, sein Leben von Grund auf zu
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