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Mit einem Fuß im Himmel

Mit einem Fuß im Himmel

Titel: Mit einem Fuß im Himmel
Autoren: Marie Louise Fischer
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übertriebener Betonung: »Inehn... können Sie mir erklären, was das heißen soll?«
    »Ihnen, natürlich!« erwiderte Gabriele. »Das >h< ist verrutscht, nichts weiter!«
    »Schlimm genug! Das kann doch kein Schwein lesen!«
    »Wir korrespondieren, soviel ich weiß, auch nicht mit Schweinen!«
    Herr Mensendick starrte Gabriele fassungslos an. »Sie wollen wohl frech werden, wie?!« brüllte er.
    »Durchaus nicht, Herr Mensendick!«
    »Scheint mir aber doch so! Statt sich zu entschuldigen...«
    »Ich hatte keine Zeit mehr, die Briefe durchzulesen und zu verbessern, das wissen Sie ganz genau, Herr Mensendick!«
    »Sparen Sie sich Ihre Widerworte, verstanden!? Sie haben sich vertippt, das steht wohl fest, nicht wahr?«
    »Ja, einmal... ein einziges Mal! Sie können aber deshalb doch nicht behaupten, daß der Brief von Fehlern wimmelt!«
    »So!? Kann ich das nicht!? Dann sehen Sie mal her! Hier, den letzten Satz... wenn ich bitten darf... Wollen Sie etwa behaupten, daß ich das so diktiert habe?«
    »Wie käme ich denn dazu, ihn so zu schreiben?«
    »Weil Sie Ihr Stenogramm nicht mehr lesen konnten!«
    Gabriele schwieg, Aufruhr im Herzen, und Herr Mensendick überflog auch die anderen Briefe, fand kopfschüttelnd hier und da eine Kleinigkeit zu verbessern, setzte aber, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, seine Unterschrift darunter.
    »So, dann wollen wir mal!« erklärte er dann und schob die Mappe von sich. »Sind Sie soweit?«
    Gabriele nickte stumm, mit gezücktem Bleistift, und Herr Mensendick begann einen sehr langen, sehr komplizierten Brief zu diktieren, wobei er sich immer wieder mit: »Hm...« oder »Warten Sie mal...« unterbrach und sich verschiedentlich den letzten Satz vorlesen ließ.
    »Herr Mensendick... das geht doch nicht!« unterbrach ihn Gabriele plötzlich.
    »Was geht nicht?!« fuhr Herr Mensendick sie an. »Wie soll ich denn diktieren können, wenn Sie mich dauernd unterbrechen?«
    »Ich unterbreche Sie nicht... Sie unterbrechen sich selber!«
    »Was nicht geht, will ich wissen?!«
    »Das ist kein Satz, was Sie mir zuletzt diktierten!«
    »Kein... was?«
    »Es fehlt das Verb!«
    »Na wenn schon! Soviel sollten Sie doch inzwischen schon gelernt haben, daß Sie in der Lage sind, von sich aus ein fehlendes Verb einzusetzen, will ich hoffen!«
    »Das möchte ich doch lieber nicht, Herr Mensendick! Nachher sagen Sie wieder, daß Sie mir diesen Satz so nicht diktiert haben! Und es ist schließlich nicht meine Aufgabe, Ihre Briefe in ein gutes und richtiges Deutsch umzusetzen!«
    Herr Mensendick mußte buchstäblich nach Atem ringen. »Sagen Sie mal, Fräulein Görner... was ist los mit Ihnen?! Sind Sie verrückt geworden?!«
    »Ich nicht, Herr Mensendick!« erwiderte Gabriele liebenswürdig.
    Das war für Herrn Mensendick zuviel. »Raus mit Ihnen!« brüllte er in einer Lautstärke, daß die Fensterscheiben klirrten. »Raus!«
    Gabriele nahm ihren Stenogrammblock und entwischte eiligst, aber gerade, als sie sich aufatmend an ihrem eigenen kleinen Tischchen 1 niederlassen wollte, wurde die Türe aufgerissen, und Herr Mensendick steckte seinen hochroten Kopf herein. »Zur Personalabteilung, Fräulein Görner!« schrie er. »Lassen Sie sich Ihre Papiere geben und verschwinden Sie! Ich will Sie in meinem Büro nicht mehr sehen, verstanden!«
    Und mit lautem Knall warf er die Tür ins Schloß.

    Kaum eine Viertelstunde später verließ Gabriele Görner die Fortuna Lebensversicherung a. G. und sprang in die nächste Bahn nach Oberkassel.
    Ihre Stellung war sie los, und ihre Papiere hatte sie noch nicht bekommen können, denn eine solch prompte Erledigung konnte man nicht erwarten. Aber weder die eine noch die andere Tatsache erschütterte Gabriele. Daß sie ihre Papiere noch nicht hatte, war zumindest kein Nachteil, denn sie hatte ja durchaus nicht vor, sich nach einer anderen Arbeit umzusehen, und daß sie aus ihrer Stellung geflogen war, konnte man letzten Endes nur als ein glückliches Ereignis betrachten. Damit hatte sich das Problem der Berufstätigkeit trotz der Ehe ganz von selber gelöst, und Gabriele wußte aus Erfahrung, daß es sehr viel leichter war, einen Mann vor eine vollendete Tatsache zu stellen, als ihm die Zustimmung zu einem Schritt abzuringen, den er im innersten Herzen nicht bejahte. Nein, Gabriele bereute ihre Aufsässigkeit in keiner Weise — schließlich hatte sie ja auch nur die Ratschläge ihres Horoskops befolgt und trug also nicht die geringste Verantwortung für die
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